Ein halbrundes Jubiläum feiert heuer das Master-Programm "Game Studies and Engineering". Studieren kann man das seit fünf Jahren an der Uni Klagenfurt. Wer beim Namen des Studiums denkt, dass man sich bei dem Programm einen akademischen Titel einfach "erzocken" kann, liegt falsch. Viel mehr geht es dabei um technische Kompetenzen, kritisches Verständnis über den Einfluss der Spiele auf die Gesellschaft "sowie den Mut und die Kreativität, dieses Wissen und die Erfahrung auf eigene und innovative Wege für sich und die Gesellschaft zu nützen", sagt Programmdirektor Felix Schniz. Aktuell sind knapp 80 Studierende inskribiert. "Mit dem kommenden Wintersemester ab Oktober rechnen wir jedoch mit einer besonders großen Zahl an neuen Erstsemestern, denn dieses Jahr haben uns so viele Bewerbungen erreicht wie noch nie zuvor."
Dass das Interesse berechtigt ist, belegen aktuelle Zahlen. Bereits 2020 vermeldete Statista, dass Videospiele Teil der lukrativsten Unterhaltungsbranche sind. "Spiele haben generell für die Menschheit eine große Bedeutung. Entwicklungspsychologische Spiele sind unglaublich wertvoll für Kinder und das hört auch bei Erwachsenen nicht auf", sagt Michael Steinkellner, der zusammen mit Sebastian Uitz und Manuel Santner"Fire Totem Games" gegründet hat – eines der wenigen Spielestudios mit Sitz in Kärnten.
Vor Kurzem war das Studio mit seinem bisher größten Projekt, dem PC-Spiel "A Webbing Journey" auf der Gamescom in Köln, der weltweit größten Videospiel-Messe, vertreten. "Bei 'A Webbing Journey' geht es um eine kleine Spinne, die auf verschiedene Inseln reist, herumklettert und Netze webt." Dabei handelt es sich um ein sogenanntes "Wholesome Game", also ein Spiel, das ohne Gewalt oder Kampf auskommt.
Uitz: "Schon vor dieser Spielidee habe ich gerne 'Wholesome-Games' gespielt, weil sie keinen Stress erzeugen, sondern beruhigen. Außerdem kann man damit eine breite Zielgruppe ansprechen." Bereits ein Jahr Arbeit steckt in dem Spiel, das nächstes Jahr auf den Markt kommen und gut 15 Euro kosten soll. "Eine Demo-Version ist bereits jetzt spielbar." Und tatsächlich gingen den jungen Männern auf der Messe schon einige potenzielle Kundinnen und Kunden ins Netz: "Das Feedback war wirklich positiv. Manche Besucher sind sogar am nächsten Tag nochmal hergekommen, um das Spiel erneut zu spielen."
Quasi auf leisen Pfoten begleitet wurde das "Fire Totem Games"-Studio von Fabian Schober, der zusammen mit Daniela Meinhardt, einer ehemaligen Studienkollegin, bereits 2020 ebenfalls ein Gaming Studio gegründet hat – das "Dirty Paws Studio". Gut 15 digitale Spiele hat das Duo seitdem produziert, die monatlich die Herzen Hunderter Gamer höherschlagen lassen. Schober und Meinhardt tüfteln aktuell ebenfalls an ihrem ersten kommerziellen Computerspiel. Er an der Software, sie am Design. Die Idee? Ein Elektroinstallations-Rätselspiel.
"Ich war selbst auf einer HTL und weiß, wie die Verkabelung von Steckdosen, Schaltern und Lichtern funktioniert", sagt Schober. Genau da setzt das Produkt an, das Schober bewusst nicht als "Lernspiel" bezeichnet. "Ziel ist, dass man es aus Spaß macht und ganz 'unabsichtlich' etwas lernt." Meinhardt und Schober sind beide bekennende Katzenfans – daher der Name ihres Studios und das Design des Logos. Dennoch ist ein Octopus der Protagonist eines weiteren Spiels, das aktuell in der Entwicklungsphase ruht. Die Kollegen von "Fire Totem Games" sieht Schober nicht als Konkurrenz: "Wir in Kärnten versuchen uns gegenseitig zu unterstützen. Generell ist die österreichische Spielebranche sehr auf Kooperation ausgelegt."
Alleine zu kämpfen, wäre ohnehin nicht so einfach, immerhin habe die Gaming-Szene hierzulande noch viel Wachstumspotenzial. "Cheatcodes" gibt es keine, maximal eine Hand voll potenzieller Förderungen, die aber in der Regel nicht branchenspezifisch ausgelegt sind.
Österreich als "Gaming Nation"?
Im Mai dieses Jahres hat Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm bereits öffentlich über ihre Vision von Österreich als "Gaming Nation" gesprochen. Aber wie sehen diesbezüglich die Jobchancen in Kärnten aus? Laut Programmdirektor Schniz liefert das Bundesland gute Perspektiven: "Wer sich ausgiebig informiert, wird viel Unterstützung erfahren. Strategisch stellt sich Kärnten ja seit Jahren, besonders im Verbund des Alpen-Adria-Raumes, als Technologie- und Industrieland auf, was man an gelungenen Betriebsansiedelungen und einem Schub im Bereich der technischen Forschung und Entwicklung sehen kann."
Uitz ortet dennoch Luft nach oben: "Das Problem ist, dass Studierende oft keinen Platz für ein Praktikum finden und dann nicht in näherer Umgebung arbeiten können. Deshalb gehen sie dann nach Graz, Wien oder ins Ausland." Schober hat ähnliche Beobachtungen gemacht: "Es ist durchaus Potenzial in Kärnten da. Was die Ausbildungsstätten angeht, ist das Netz gut ausgebaut, nur in der Wirtschaft ist das Thema noch nicht ganz gelandet." Er verweist auf das deutsche Bundesland Bayern, wo die Gaming-Szene inzwischen boomt: "Da war vor drei bis vier Jahren noch nicht viel, aber mittlerweile hat sich ein international bekannter Wirtschaftszweig entwickelt." Sowohl er als auch Uitz wollen in naher Zukunft Praktikumsstellen in ihren Gaming-Studios anbieten.
Als Wirtschaftszweig wahrgenommen?
Aber inwiefern wird die Gaming-Szene in Kärnten bereits als Wirtschaftszweig wahrgenommen? Bei dieser Frage verweist das Land Kärnten auf den Kärntner Wirtschaftsförderungs Fonds (KWF). Auch KWF-Kommunikationsleiterin Marliese Fladnitzer-Ferlitsch hält sich in Hinblick auf eine Einschätzung bedeckt, verweist aber auf die KWF-Ausschreibung innovativer Gründungsvorhaben. Gaming-spezifische Förderungen gebe es zwar keine, aber wenn die "Projekte passen", könnten andere Förderungen infrage kommen.
Weitere hilfreiche Ressourcen könnten die Coding School & Academy Wörthersee oder das build! Gründerzentrum sein.
Claudia Mann