Anmerkung: Dieser Artikel ist ursrpünglich auf futter.kleinezeitung.at erschienen.
Als Nikolas Cruz am 14. Februar 2018 seine ehemalige Schule, die Majory Sonteman Douglas Highschool, betrat, war er augenscheinlich fest entschlossen sein Leben und das Leben seiner Mitmenschen für immer zu verändern. Kurz vor Schulschluss löste er mehrere Rauchbomben. Dann griff er zu seiner Waffe und begann damit, auf seine ehemaligen Kamerad:innen und Lehrer:innen zu schießen. Die Bilanz der Tragödie: 17 Todesopfer, 15. Verletzte. Aktuell läuft der Prozess gegen Cruz, der nach seiner Festnahme die Tat gestanden hat. Schon kurz nach dem Massaker gab es mehrere Berichte - zusammengestellt durch die Schilderungen Überlebender - die ein ziemlich genaues Bild jener Katastrophe zeichnen, die sich am Valentinstag im Schulgebäude abgespielt hat.
Wie bei vielen anderen Massenschießereien drängten sich nach der Tat Fragen auf, allen voran jene nach dem "Warum?". Eine Frage, die hingegen nicht gestellt werden müsste, ist jene nach dem "ob"- nämlich, ob die Schießerei tatsächlich stattgefunden hat. Immerhin wurde 17 Menschen an diesem Tag das Leben genommen und für unzählige weitere wird der Alltag nie mehr so sein, wie er einmal war. Doch ein Reddit-Post sorgte in diesem Zusammenhang für Aufsehen. Ein User gibt darin an, einer der Überlebenden der Schießerei zu sein. Sein eigener Vater aber sei der Meinung, es sei alles nur eine Verschwörungstheorie. Woher er diese Information habe? QAnon.
QAnon: Auch in Österreich ein Thema
Auf den ersten Blick möchte man meinen, der Reddit-Beitrag sei ein schlechter Scherz, erstellt mit einem Throwaway-Account, also einem Account, der nur für diesen Zweck erstellt worden und ansonsten inaktiv ist. Jedoch werden Posts wie diese in der Regel von Online-Moderatorinnen und -Moderatoren verifiziert. Und: Offensichtlich ging es dem Urheber nicht darum, persönlichen Profit zu schlagen. In einem weiteren Beitrag weist er darauf hin, dass etwaige Spenden an Parkland Cares überwiesen werden sollten, eine Organisation, die sich für die Opfer der Schießerei einsetzt. Ein weiteres Argument, das für die Authentizität des Beitrags spricht, ist jenes, dass Verschwörungstheorien wie diese populärer sind, als man glauben mag. So haben QAnon-Anhänger:innen auch schon die Schießerei in der Sandy-Hook-Volksschule angezweifelt. Aber wie ist es möglich, Dinge zu leugnen, die eigentlich unbestreitbar sind? Wer steckt hinter dieser Bewegung und inwieweit ist sie in Österreich vertreten?
"QAnon ist in Österreich immer wieder Thema, auch wenn sie hierzulande nicht unbedingt als eigene Bewegung oder Strömung gedeutet werden kann", sagt Alexander Fonto, Sozialarbeiter von der Beratungsstelle Extremismus, die es seit 2016 gibt. "QAnon ist hier eher als Überbegriff für verschwörungsideologische Bewegungen zu verstehen." Die Beratungsstelle ist eine österreichweite Anlaufstelle - primär für Betroffene, aber auch für Personen, die sich Sorgen machen, dass sich jemand in ihrem Umfeld einer extremistischen Gruppierung angeschlossen hat.
Ihren Ursprung hat die QAnon-Welle vor einigen Jahren auf der Plattform 4Chan. Das Forum ist anonym, eine Registrierung ist nicht notwendig. Ein Nutzer verbreitete unter dem Namen "Q" sogenannte Q-Drops, also Hinweise, die auf Verschwörungsideologien aufmerksam machen sollen. Im Zentrum stand der Pizzagate, eine bizarre Falschmeldung rund um einen Pornoring, in dem unter anderem die damalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Cinton involviert sein soll. Headquarter sei der Keller eines Pizzarestaurants. Mehr zu den haltlosen Vorwürfen ist hier nachzulesen.
Q-Drops und Q-Researcher
Auf diesen ersten Q-Drop folgten viele weitere, die andere Verschwörungsideologien befeuerten. Das Problem sind nicht nur die Ideologien an sich, sondern vor allem die Anonymität. Praktisch alle Internetnutzerinnen und - nutzer können Q-Drops frei erfinden und veröffentlichen. Deshalb gibt es kein einzelnes "Mastermind", das hinter der Bewegung steckt. "Sogenannte Q-Researcher probieren dann, diese Puzzlesteine zu vernetzen und Zusammenhänge zu finden. So sind ziemlich abstruse und skurrile Theorien entstanden", sagt Fonto. Dabei werden Zufälle nach Belieben aneinandergereiht.
Wie weit QAnon-Anhängerinnen und -Anhänger gehen, zeigt eine Tragödie, die sich im August des vergangenen Jahres in Mexiko abgespielt hat. Dort hat ein Mann aus den USA seine beiden Kinder - zwei Jahre und zehn Monate alt - erstochen. Als Grund gab er an, er habe handeln müssen, denn die Kinder hätten sich sonst zu Monstern entwickelt. Er sei fest davon überzeugt, dass seine Frau Echsen-DNA habe.Mehr dazu hier.
Für Außenstehende ist schwer nachvollziehbar, wie man an skurrile Ideologien wie jene der Echsen-DNA glauben kann. Doch der Glaube an solche Ideologien ergreift die Betroffenen nicht von heute auf morgen - es ist eine schleichende Entwicklung: "Für Betroffene ist es ein Reinkippen, das schrittweise passiert." Dabei handelt es sich um einen komplexen Prozess, bei dem das Selbstwertgefühl, aber auch das Gefühl der Angehörigkeit eine Rolle spielen.
Video: Was geht auf Telegram ab?
Demos gegen Corona-Sicherheitsmaßnahmen
Fakt ist: Nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie erlebt die QAnon-Welle auch in Österreich ein Hoch. "In Österreich ist QAnon seit drei, vier Jahren ein Thema", sagt Fonto. Eine österreichische Facebook-Gruppe ist bereits vom Netz genommen worden. "Seit dem ersten Corona-Lockdown ist das Thema Verschwörungsideologien exponentiell nach oben gestiegen", sagt Fonto. In diesem Zusammenhang ist bei Beratungen der Begriff QAnon immer wieder gefallen. Das grenzt die Bewegung auch von anderen ab: "Es wird keine gezielte Agenda verfolgt, man kann sich die Verschwörungsideologien auch einfach selbst gestalten."
Das Bundesministerium hat die Bewegung bereits am Radar, wie eine Anfrage der Kleinen Zeitung im Sommer 2021 zeigt. "Die QAnon-Bewegung ist den Sicherheitsbehörden natürlich bekannt", sagt Patrick Maierhofer, Ressortsprecher des Bundesministeriums für Inneres. "In Österreich wurde das Thema vorwiegend auf Sozialen Medien vor allem von Anhängern der staatsfeindlichen Verbindungen, Staatsverweigerern beziehungsweise Reichsbürgern aufgenommen und versucht zu verbreiten." Zudem ist es im Herbst und Winter 2021 ja zu Demonstrationen gegen die Corona-Sicherheitsmaßnahmen der Regierung gekommen. Auch dort haben laut Maierhofer offensichtlich Sympathisanten der QAnon-Bewegung teilgenommen. Erkenntlich war das durch Kleidungsstücke mit Q-Bezug. Maierhofer: "Aufgrund der Geschichte von QAnon, die bis heute keiner Person oder Personengruppe zugeschrieben werden kann, versuchen auch in Österreich verschiedene Persönlichkeiten die Q-Ideologie zu verbreiten. Dies bedeutet auch, dass sich verschiedene Aktivisten oftmals auf unterschiedliche Themen fokussieren, die letztendlich auch im Widerspruch zu anderen Q-Theorien und -Verschwörungen stehen können."
Die Regierung behält die QAnon-Bewegung jedenfalls im Auge, um etwaige Gefahren rechtzeitig erkennen und abwehren zu können, so Maierhofer. Allerdings: "Eine eigene Statistik über Straftaten, die in Zusammenhang mit der QAnon-Bewegung gesetzt wurde, wird nicht geführt."
Du suchst in diesem Zusammenhang Hilfe? Hier geht's zur Beratungsstelle Extremismus.