Dieser Artikel ist zuerst bei "SOS Mitmensch" erschienen. An dieser Stelle wird in den nächsten Wochen immer freitags ein Porträt aus der Reihe "Hier angekommen: Ältere Menschen und Familien nach der Flucht" veröffentlicht.
"Ich heiße Marceline Situ Mumpasi und wurde 1946 im Kongo geboren. Ich habe dort in der Hauptstadt Kinshasa gelebt. Meine Kinder sind aufgrund des Bürgerkriegs und der unsicheren Lage im Land geflüchtet, aber ich wollte bleiben. Ich hatte dort eine Bierhandlung mit Restaurant und Bar und ein gutes Auskommen.
"Sie wollten mich töten, wenn ich nicht zahle"
Dann, 2008, ist der Krieg wieder aufgeflammt. Es gab viele Bombenanschläge und Gewalt. In Kinshasa gab es starke mafiöse Strukturen. Gruppen von jungen Männern waren immer auf der Suche nach Menschen, die Geld haben, um sie zu erpressen. Sie sind auch zu mir gekommen und haben mich bedroht. Ich wollte ihnen kein Geld geben, aber sie haben gesagt, dass sie mich töten, wenn ich nicht zahle.
Irgendwann ging es nicht mehr und ich musste auch flüchten. Ich wusste, dass mein Sohn in Europa ist, allerdings nicht genau wo. Erst nach langer Suche habe ich erfahren, dass er in Österreich lebt. Dorthin habe ich mich dann auch durchgeschlagen. Die erste Zeit war sehr schwierig. Ich hatte keine fixe Unterkunft und habe immer woanders geschlafen. Dann hat mich jemand nach Traiskirchen ins Erstaufnahmezentrum gebracht.
Die Wichtigkeit von Bezugspersonen
Ich konnte die Sprache nicht und es war mir nicht möglich mich verständlich zu machen. Ich hatte niemanden, mit dem ich sprechen konnte und das hat mich sehr traurig gemacht. Ich habe dann eine junge Frau kennengelernt, die auch aus dem Kongo kam und gemeinsam mit ihrer Mutter geflüchtet war. Sie wurde eine ganz wichtige Bezugsperson und hat mir geholfen meinen Sohn zu finden. Mit ihr bin ich dann auch von Traiskirchen in eine Flüchtlingsunterkunft in Ottnang bei Vöcklabruck gegangen.
Zu dieser Zeit ging es mir körperlich schon schlecht. Man hat Diabetes bei mir festgestellt. Mein Sohn war in Wien geblieben und hat sich darum gekümmert, dass ich zu ihm zurückkomme, damit er mich bei Arztbesuchen begleiten und übersetzen kann. Ich bin erst bei der Diakonie untergekommen. Dort war ich in einem Zimmer gemeinsam mit einer Frau, die psychisch krank war. Sie konnte nicht schlafen und ich hatte nie Ruhe. Ich habe den Leiter der Einrichtung gefragt, ob er etwas anderes für mich finden kann und so bin ich vor 12 Jahren ins Integrationshaus gekommen. Hier haben sie sich wirklich sehr gut um mich gekümmert und mir bei allen Herausforderungen geholfen, wofür ich sehr dankbar bin.
"Ich hätte gerne die österreichische Staatsbürgerschaft"
Mein größtes Problem nach meiner Ankunft in Österreich war die Sprachbarriere. Ich habe mich zurückgehalten und bin möglichst ruhig geblieben. So kam ich immerhin nie in Konflikt mit anderen Menschen. Im Integrationshaus habe ich mittlerweile zwei Deutschkurse besucht und 2014 das A2 Deutschzertifikat erreicht. Jetzt kann ich mich auch schon ein bisschen mitteilen.
Ich hätte sehr gerne die österreichische Staatsbürgerschaft und damit auch die Sicherheit, dass ich hierbleiben kann. Momentan habe ich nur subsidiären Schutz. Mein Sohn hat die österreichische Staatsbürgerschaft schon erhalten.
Körperliche Beschwerden
Ich habe auch noch einen weiteren Sohn, der mit seiner Frau und seinen fünf Kindern in Paris lebt. Ich würde sie gerne einmal zu mir einladen, aber ich habe leider nicht genug Platz dafür. Ich lebe hier in einem kleinen Zimmer. Die Sanitäranlagen muss ich mir auf meinem Stock mit anderen Personen teilen. Die Toilette befindet ist gegenüber meines Zimmers, aber als ältere Frau – ich bin jetzt 76 Jahre alt, muss es manchmal sehr schnell gehen und oft passiert es, dass die Toilette besetzt ist.
Ich hatte schon mehrere Augenoperationen, beide Knie sind operiert und ich habe Probleme mit dem Rücken. Deshalb fällt es mir sehr schwer mich zu bewegen. Ich bin auf einen Rollator angewiesen und all das macht das alltägliche Leben für mich hier sehr mühsam. Mein größter Wunsch wäre eine kleine Wohnung für mich mit eigener Dusche, WC und kleiner Küche. Das würde mir ein bisschen Selbstständigkeit ermöglichen.“
Marceline Situ Mumpasi / Sonja Kittel