Als Michael Hofbauer die Diagnose HIV-positiv erhält, ist er gerade 19 Jahre alt: "Ich weiß, wann und wie ich es bekommen habe, im Endeffekt spielt das aber keine Rolle". In seinem privaten Umfeld geht er rasch offen mit seiner Infektion um. Am ersten Jahrestag seiner Diagnose geht er noch einen Schritt weiter und veröffentlicht ein YouTube-Video mit dem Titel: "Ja, ich bin HIV-positiv". Sein Anliegen: Vorurteile aus der Welt schaffen und darüber aufklären, was eine HIV-Infektion heutzutage bedeutet. Wir haben den 23-Jährigen zum Interview getroffen.
Sie sind seit mehr als zwei Jahren HIV-positiv. Wie war es, diese Diagnose zu erhalten?
Michael Hofbauer: Die Diagnose selbst habe ich so hingenommen. Die Zeit davor war der Horror, weil man da in der Ungewissheit lebt: Hat man es, hat man es nicht?
Wie lange hat es dann gedauert, bis Sie Gewissheit hatten?
Es hat um die elf Tage gedauert, bis ich die erste Viruslast im Blut hatte. Diese Zeit war eine ziemliche psychische Belastung. Mein Arzt hat mir aber diverse Ängste genommen, indem er mich darüber aufgeklärt hat, dass es Medikamente gibt, die Übertragungen verhindern und dass man gesund bleibt.
Wie hat Ihr engstes Umfeld auf die HIV-Infektion reagiert?
Wie zu erwarten: Emotional. Und mit Tränen verbunden. Die größte Hürde war, es meinen Eltern beizubringen. Gott sei Dank hatte ich meine Schwester an meiner Seite. Emotional waren auch viele meiner Freunde. Es hat sich aber bei allen schnell gelegt, nachdem man aufgeklärt hat: Nämlich, dass es gute Behandlungsmöglichkeiten gibt und dass man für sein näheres Umfeld keine Bedrohung mehr ist.
Wenn Sie also über Ihre Diagnose gesprochen haben, war vieles Aufklärungsarbeit?
Genau. Viele hatten die Bilder von früher im Kopf. Damals war das eine Todesnachricht. Heutzutage muss man das ganze Leben lang Tabletten nehmen, bis es eventuell ein Heilmittel gibt (Anmerkung der Redaktion: Mittlerweile gilt der weltweit vierte HIV-Patient als geheilt). Aber ich glaube, die Diagnose ist eher zu verkraften als früher.
Inwiefern sind Sie dann schnell offen mit Ihrer HIV-Infektion umgegangen?
Ich habe es zu Beginn erst einmal für mich behalten, um zu sehen, wie die Therapie bei mir anschlägt. Aber tatsächlich war bei mir von Anfang an der Wunsch da, offen damit umzugehen. Denn die HIV-Infektion ist nun mal ein Teil von mir. Ich möchte mich so zeigen, wie ich wirklich bin. Und: Ich wollte meiner Situation trotz allem einen Sinn verleihen, auch wenn es noch so schlecht ist oder wenn andere sagen, dass es noch so schlecht ist.
Klingt fast so, als fänden andere Menschen Ihre Diagnose schlimmer als Sie selbst...
Mein Umgang mit der Infektion verwirrt viele Leute. Manche glauben, ich
würde das nicht ernst nehmen. Aber im Gegenteil: Man sollte diese Infektion mit sehr viel Respekt behandeln. Man muss da einfach einen sehr eigenen Charakter haben, dass man überhaupt so mit einer solch ernsten Lage umgehen kann. Und ich glaube, dass ich den habe.
Man hört häufig, dass HIV-Infizierte im medizinischen Bereich - wo das Fachpersonal eigentlich entsprechend aufgeklärt sein sollte - diskriminierende Erfahrungen machen.
Tatsächlich gibt es im medizinischen Bereich noch einige Baustellen. Ich hatte das Glück so etwas nie erleben zu müssen. Bei meinem letzten Zahnarzt-Besuch hab ich gleich vor der Behandlung gesagt: 'Ich bin HIV-positiv, ich nehme seit mehr als zwei Jahren Tabletten, ich bin nicht ansteckend'. Ich habe eine relativ junge Zahnärztin und fand ihre Reaktion klasse, weil sie auf mich eingegangen ist. Ich denke, man sollte immer gleich reinen Tisch machen: Bei Ärzten halte ich das wie bei Partnern. Das ist auch eine Respektsache, sodass man weiß, mit wem man es zu tun hat.
Sie sind eines der Gesichter der Kampagne #positivarbeiten, die sich für einen diskriminierungsfreien Umgang mit HIV-positiven Menschen im Arbeitsleben einsetzt. Wie sind Sie selbst im Arbeitskontext mit Ihrer Infektion umgegangen?
Meine Teamkollegen haben Wind davon bekommen, als ich das YouTube-Video veröffentlicht habe. Als ich nach der Veröffentlichung wieder in die Firma gekommen bin, ging der Arbeitstag wie gehabt weiter. Es gab keine blöden Fragen, es hat mich keiner schräg angeguckt, meine Arbeitskollegen haben es gut aufgenommen und akzeptiert.
Gab es auch negative Rückmeldungen zum Video?
Großteils war es positives Feedback. Die Leute waren stolz, dass ich gegen Diskriminierung ankämpfe. Aber jemand hat kommentiert, dass ich mit dem Video jüngeren Generationen kommuniziere, dass es egal wäre, ohne Kondom Sex zu haben. Ich habe im Video nichts in diese Richtung gesagt und mich nicht auf die Diskussion eingelassen.
Haben Sie eine Botschaft für andere HIV-Infizierte?
Man braucht natürlich Mut, um überhaupt so einen Schritt zu gehen, wie ich ihn getan habe. Aber war es ein befreiender Schritt. Darüber zu sprechen: Das ist das beste Mittel, um das Tabu zu brechen. Wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen und zum Beispiel Projekte wie #positivarbeiten unterstützen, können wir Großes damit erreichen und Diskriminierung und Vorurteile aus der Welt schaffen.
Anmerkung: Dieser Artikel ist ursprünglich bei Futter, dem jungen Magazin der Kleinen Zeitung, erschienen.
Claire Herrmann