"Reiß dich zusammen" oder "Verhalt dich wie ein Bub": Sprüche wie diese sind es, die die Kindheit und Jugend von Phil prägen. Mit dem Geschlecht, das denen bei der Geburt zugewiesen wurde, hat Phil sich nie identifizieren können: "Eigentlich wusste ich das schon immer. Ich hatte immer andere Vorbilder und Idealvorstellungen davon, wer ich gerne sein und wie ich aussehen möchte."
"Er war der Prototyp und ich sollte mich anpassen"
Aufgewachsen ist Phil in der Steiermark, auf dem Land. Während der Schulzeit verbringt dey die Nachmittage häufig bei seiner Großmutter, auch deren Cousin ist häufig dort: "Er war immer dieser typische kleine Rambo. Er war sozusagen der Prototyp und ich sollte mich immer anpassen", erinnert Phil sich zurück. "Dabei hatte ich ganz andere Interessen, ich wollte zum Beispiel mit meinen Puppen spielen."
Wirklich akzeptiert wird das allerdings nicht – weniger "soft" solle dey sein, sich "männlicher" verhalten. In der Folge spielt Phil bis in deren Zwanziger hinein eine Rolle, die gesellschaftlich erwartet zu sein scheint, deren Wesen jedoch so gar nicht entspricht: "Bis irgendwann die Stricke gerissen sind und ich aus diesen Restriktionen ausbrechen musste. Genug war eben genug."
Eine lange Reise zu sich selbst
Bis Phil die Sprache findet, um auszudrücken, was in denen vor sich geht, vergehen einige Jahre: "Bestimmte Bezeichnungen kommen erst mit der Zeit in den Sprachgebrauch. Aber, wenn man dann die Sprache dafür findet, dann ist das so bestätigend." Auch zu realisieren, dass es Menschen mit ähnlichen Gefühlen und Erfahrungen gibt, hilft denen damals sehr.
Und dennoch sei es ein langer Prozess gewesen, sich mit deren Geschlechtsidentität auseinanderzusetzen und schließlich damit anzufreunden: "Jetzt fühle ich mich extrem wohl."
Nicht-binär sein heißt auch: Sich immer wieder erklären
Auch wenn dey heute von Freunden ebenso wie von Fremden viel Wertschätzung und positive Rückmeldungen erfährt, ist es alles andere als einfach, als nicht-binäre Person in einer binären Welt zu leben. "Auch wenn es in meinem Umfeld bekannt ist und gefeiert wird, ist es keine abgehakte Sache. Ich muss mich laufend erklären. Immer wieder kommen Leute zu mir, die dann sagen: 'Du als Mann, wie siehst du das?'. Und jedes Mal muss ich wieder betonen, dass ich nun mal kein Mann bin."
Unangenehm ist für Phil im Alltag auch immer wieder die Entscheidung, welche öffentliche Toilette dey nutzen soll. Ist dey alleine, nutzt Phil zumeist die Herrentoilette – auch wenn das oft unangenehm ist: "Da fühle zwar ich mich bedroht, aber dort fühlt sich niemand anderes durch mich bedroht. Wenn ich in einem eher konservativen Etablissement auf die Damentoilette gehen würde, würde ich dort womöglich als Bedrohung gesehen werden, und das macht die Situation noch unangenehmer. Ich finde, dass die Zeit für geschlechterlose Toiletten gekommen ist, die allen Menschen mehr Sicherheit und Privatsphäre bieten würden."
Im österreichischen Recht wurde 2018 erstmals neben "männlich" und "weiblich" ein drittes Geschlecht eingeführt. Zudem wurde kürzlich bekannt, dass auf Meldezetteln künftig sechs Geschlechter zur Auswahl stehen ("männlich", "weiblich", "divers", "inter", offen oder "keine Angabe").
Anmerkung: Dieser Artikel ist ursprünglich bei Futter, dem jungen Magazin der Kleinen Zeitung, erschienen.
Claire Herrmann