Anmerkung: Dieser Artikel ist ursprünglich bei Futter, dem jungen Magazin der Kleinen Zeitung, erschienen.
Wenn ein Schuh nicht passt, liegt es nicht am Fuß, sondern an der Größe des Schuhs. Selbiges gilt, wenn eine Hose nicht passt. Lösen kann man dieses Problem, indem man einfach auf eine bequemere Größe zurückgreift. Beim Schuh-Beispiel scheint das alles kein Problem zu sein. Doch bei Hose und Co. fühlen sich viele Menschen gezwungen, stattdessen sich selbst zu verändern und nicht das Kleidungsstück.
Auf diesen Missstand der Modeindustrie macht Bloggerin und Modedesignerin Madeleine Darya Alizadeh aufmerksam. Konkret geht es um verzerrte Konfektionsgrößen, die nicht die Realität widerspiegeln. "Die durchschnittliche Frau hat zirka Größe 42/44", schreibt Alizadeh auf Instagram. "In der verschlankten Modewelt, in der wir leben, ist die Mitte aber bei 38 angesiedelt." So verkommt eine Frau mit Durchschnittsgröße sozusagen zur "Randgröße".Und das hat extreme Folgen. „Die negativen Auswirkungen sind natürlich ein krasser Schönheitswahn und dass Frauen versuchen einen normschönen Körper zu haben, auch wenn sie genetisch unmöglich ist für sie, zu diesem Körper zu kommen. Es hat auch eine extreme Auswirkung auf den Selbstwert vieler Menschen, nicht nur von Frauen, sondern auch von Männern", sagt Alizadeh im Interview.
Gegen Verschlankung der Kleidergrößen
Bei Dariadeh, dem Label der jungen Frau, wird bereits versucht, der Verschlankung der Konfektionstabelle entgegenzuwirken. Aber auch, wenn sich sozusagen alles um eine Größe verschiebt, entspricht das noch nicht der Realität. Um tatsächlich widerzuspiegeln, was die Menschen tragen, müsse man viel mehr als acht Größen abbilden und sich einer komplett neuen Konfektionstabelle zu verschreiben, so Alizadeh. „Aber das wäre zu abstrakt und die Kundinnen müssen sich ja orientieren können.“ Es gibt auch andere Mittel: „Wir versuchen den Kundinnen Kleidungsstücke auf verschiedenen Körpern zu zeigen.“ Und gewisse Kleider werden ab Größe L auch anders geschnitten. „Die Bedürfnisse eines Körpers einer Größe L sind einfach andere als die einer Größe XS. Uns ist es wichtig, den modischen Anspruch einer Kundin jeder Größe zu erfüllen."
Einen etwas anderen Ansatz verfolgt die Designerin Lisi Lang. Die Modeindustrie kennt sie sozusagen wie ihre Westentasche. Seit 15 Jahren ist sie mit ihrem Label Lila aktiv, setzt dabei auf Kleidung, die bequem zu tragen ist und Menschen jeglicher Größen passt. Tatsächlich sind gut 90 Prozent der Kleidungsstücke in ihrem Store One-Size, also in einer Einheitsgröße. Anfangs hatte das praktische Gründe. "Es ist einfach wahnsinnig kostspielig verschiedene Größen herzustellen. Gerade am Anfang wollten wir die Sachen aber auch günstig halten", erklärt Lisi. "Deshalb haben wir Größen entwickelt, die vielen verschiedenen Frauen passen, oder sogar unisex sind. Das funktioniert total gut." Das Konzept ohne Kategorisierung von extra-klein bis extra-groß hat sich gut etabliert. So kommt es auch schon mal vor, dass drei Generationen; drei Kundinnen mit jeweils individueller Statur das gleiche Kleid tragen können.
Egal ob dick, dünn, klein, groß, jung oder alt - Lang ist es wichtig, dass jeder Mensch bei ihr fündig wird. Und wer seine oder ihre Figur betonen will, kann gerne auch mit einem Gürtel nachhelfen. Lang: "Große Unternehmen handeln da unter dem Deckmantel Bodypositivity, wir aber reden mit den Leuten selbst und sehen, dass sowas eh logisch sein sollte."
Claudia Mann