"Über Geld spricht man nicht": So zumindest heißt es. Warum sollte man das vielleicht gerade doch tun?
LARISSA KRAVITZ: Um zu lernen und sich zu informieren. Gerade weil das Thema als Tabu wahrgenommen wird, treffen viele Menschen schlechte finanzielle Entscheidungen, ohne es selbst zu merken. Aus Angst, sie anzusprechen, beschäftigen sich viele nicht mit wichtigen Themen, zum Beispiel Altersvorsorge. Aber auch: Wie finanziere ich meine Träume? Vielleicht will ich ein Sabbatical machen, eine Weltreise, ein Haus bauen. Wie schaffe ich das Geld dafür heran und auch wie sichere ich das Geld ab, dass ich verdient habe für die Zukunft?
Finanzen und Geldanlagen werden oftmals als Männersache dargestellt. Das trägt dazu bei, dass manche Frauen das auch so wahrnehmen. Wie kann man die "Scheu" davor überwinden?
Genauso wie man das bei jedem anderen Thema macht: Einfach beginnen, sich aktiv ein bisschen damit zu beschäftigen. Mit Hilfe von Büchern, von Podcasts, teilweise geht das sogar mit Youtube. Ich selbst habe zum Beispiel einen Podcast aufgenommen ('Investorella'), der gratis ist und mit dem man einfach mal in das Thema einsteigen kann. Es beginnt aber auch damit, dass man im Freundeskreis dieses Tabudenken ('Über Geld spricht man nicht') fallen lässt. Denn wir sollten darüber reden.
Das sind erschreckende Zahlen ...
Mir wird oft vorgeworfen, dass ich das Pensionssystem schlecht machen würde. Dabei sind das die offiziellen Zahlen der Statistik Austria. Es wird Frauen schwer gemacht, weil wir in Österreich quasi gesellschaftlich nicht bereit sind, unemotional und unaufgeregt über das Thema Altersvorsorge zu reden, uns einfach die Zahlen anzusehen.
Das heißt?
Jungen Frauen muss bewusst sein, dass die Pension in Zukunft eine Basisversorgung ist. Das ist einfach etwas, das sich abzeichnet. Den Rest muss man selbst machen. Wenn sich das erst einmal gesellschaftlich durchsetzt, dann ist es für Frauen auch leichter, darüber zu reden. Ich würde mir wünschen, dass man diese Konversation offen angehen kann.Nur in die Pensionskasse einzubezahlen: Das reicht also nicht mehr?
Jede Investment-Managerin, jeder Investment-Manager würde sagen: 'Das ist verrückt', wenn man nur auf eine Karte setzt. Wer nur auf die staatliche Pension setzt, macht aber genau das. Dabei muss man bedenken: Pensionsgesetze können sich verändern, Staatsfinanzen können sich verändern. Das ist keine Schwarzmalerei, sondern einfach realistisch: Das bestätigt jedes Geschichtsbuch. Allein meine Großeltern haben drei verschiedene Währungen erlebt. Wir haben eine gewisse Dynamik bei Staaten und allein deswegen sollte man sich etwas schaffen, was außerhalb der rein staatlichen Pension ist.
Wie aber beginnen, wenn es um das Thema Investieren geht?
Zum Beispiel: Sich einen kleinen Goldbarren zu kaufen. Das ist ein wunderbarer erster Schritt für alle, denen der Kapitalmarkt fürs Erste noch zu kompliziert ist. Einen kleinen Goldbarren kann man physisch anfassen, in der Hand halten. Das ist übrigens auch ein super Tipp für 'Shopaholics': Statt sich mit einer Handtasche oder Schuhen, einfach mit einem Goldbarren belohnen!
Was tun, wenn man sich den Goldbarren nicht leisten kann? Gerade junge Menschen haben während ihrer Ausbildung vielleicht noch nicht allzu viel zur Seite gelegt ...
Sich Gold schenken lassen. Insbesondere, wenn man gerade so über die Runden kommt: Die Familie oder den Freundeskreis bitten, für Goldmünzen oder einen kleinen Goldbarren zusammenzulegen. Früher wurden öfter Goldmünzen zum Geburtstag oder zu anderen Festen geschenkt. Ich finde, das ist ein Trend, den man reaktivieren kann.
Neben Gold: Was empfehlen Sie noch?
Gold ist das eine, das andere sind ETF-Sparpläne über einen Online-Broker. Bei manchen kann man mittels eines Video-Identifizierungsverfahren innerhalb von zehn Minuten ein Depot eröffnen. Wichtig dabei ist: Er sollte global diversifiziert und idealerweise nachhaltig sein. Mittlerweile gibt es aber auch von Banken Angebote für ETF-Sparpläne – für alle, die sich ein bisschen mehr Betreuung wünschen.
Dafür braucht es aber auch das entsprechende Wissen ...
Ja, es braucht ein bisschen Einsteigerinnen-Wissen. Aber das Wichtigste ist Diversifizierung, also Streuung. Das ist eine der simpelsten Investment-Strategien: eine breite, globale Streuung –, dass man in verschiedenen Regionen der Welt und in verschiedenen Branchen aktiv ist – und: 'Buy and Hold'. Also Kaufen und dann idealerweise zwanzig Jahre nicht anschauen. Keine wilden Sachen, keine Einzelaktien am Anfang. Am Anfang kann es auch mal ein Bankenfonds sein.
Man sollte aber auch auf die Nachhaltigkeit achten (zum Beispiel die nachhaltige Version des 'MSCI World'). Wir stehen vor einer sehr großen ökonomischen Umstrukturierung und es wäre meines Erachtens nach blöd, das zu ignorieren. Zusammengefasst: Global diversifiziert, verschiedene Branchen, verschiedene Länder und nachhaltig – das wäre der erste Schritt. Und einen kleinen Goldbarren dazu.
Wer gerade mitten in der Ausbildung oder im Studium steckt, hat generell eher beschränkte finanzielle Kapazitäten. Ab wann lohnt es sich denn zu investieren? Wenn jemand nur 50 € pro Monat übrig hat: Sollte man die investieren?
Wie schaut es mit Immobilien als Investment aus?
Das ist eine enorm wichtige Absicherung für das gesamte Leben. Wer immer mietet, gegen den läuft die Inflation. Die Mietverträge sind entweder indiziert oder die MRG-Richtwerte werden inflationsmäßig alle zwei Jahre angepasst: Die Miete verteuert sich also mit der Inflation. Bei der Immobilie, die man kauft, entwertet sich der Kredit mit der Inflation und die Immobilie wird gleichzeitig mehr wert. Das heißt, man profitiert hier doppelt. Wenn ich eine Immobilie besitze, arbeitet die Inflation für und nicht gegen mich.
Ein wichtiger Tipp besonders für junge Menschen: Bis Ende Juni ist es noch möglich, mit weniger als 20 Prozent Eigenkapital eine Immobilie zu erwerben. Ab 1. Juli 2022 braucht man dann 20 Prozent Eigenkapital. Meine Empfehlung für jene, die vorher noch Zeit haben, das umzusetzen: sich eine kleine Wohnung zu kaufen. Damit meine ich nicht, die Wohnung in der man gerne leben möchte. Ich sage immer 'die minimal akzeptable Wohnung' und das ist: ein Dach über dem Kopf. Mehr ist es nicht. Das ist eine enorm wichtige Absicherung fürs gesamte Leben.
Zum Abschluss noch eine allgemeine Frage: Es heißt oft, dass Frauen generell vorsichtiger mit Geld umgehen. Ist das eher Vor- oder Nachteil?
Es ist für Frauen per se kein Nachteil, dass sie konservativer investieren. Das Problem ist auch nicht, dass sie weniger Risiko eingehen, sondern, dass sie zögern. Weil: Je länger man wartet, desto mehr Zeit verliert man, in der man Rendite machen könnte.
Claire Herrmann