Ob zwischen meinen Töchtern und mir ein Konflikt um Werte und Grundhaltungen tobt? Ob wir uns hinter der äußeren Fassade der mehr oder weniger guten Eintracht unversöhnlich gegenüberstehen? Zwei Fragen, die ich mir gestern nach der Generationenstudie des Instituts für Jugendkultur zwangsläufig stellen musste. Nach dieser Studie über den „Kampf der Generationen“ zähle ich wohl zu den „beinharten Materialisten“, die sich primär wegen Teuerung, Krieg, Inflation, steigender Armut, Kriminalität, Zuwanderung und Flüchtlingen sorgen und meine Töchter müssten als Generation Z zu den „lupenreine Postmaterialisten“ gezählt werden. Bei dieser Generation stehen Klimawandel, Umweltschutz und woke Ideologien wie Genderfragen, Postkolonialismus, sexuelle Identitäten, Political Correctness ganz oben auf der Agenda des Lebens.

Als ich diese Ergebnisse gelesen habe, dachte ich mir spontan: Welche Jugendlichen, welche junge Erwachsene wurden da gefragt? Nur jene an den Unis? Und dort vielleicht nur Studenten der Sozialwissenschaften? Kaum anzunehmen, dass die Verkäuferin vom Geschäft an der Ecke, die mit ihren 26 oder 28 Jahren mit hängender Zunge zwischen Geschäft und Kindergarten als Alleinerzieherin ihr Leben meistert, es für lebenswichtig hält, dass es nur mehr Einheitstoiletten geben soll, um niemanden in seinen Gefühlen zu verletzen.

Die Angehörigen der Generation Z sollen nach dieser Studie woke Ideen am Mittagstisch der Eltern thematisieren. Und beim sonntäglichen Essen werde dann „lautstark und unerbittlich darüber gestritten, ob es Frauen mit Penis gibt oder nicht“. Ohne jetzt etwas über den familiären Gesprächsstoff bei gemeinsamen Essen auszuplaudern – was von meinen Töchtern unter Androhung schlimmster Sanktionen ohnehin verboten wurde – darf ich eines doch verraten: Ob es Frauen mit Penis gibt oder nicht, war selbst beim Aufeinandertreffen dreier Generationen in unserem Esszimmer noch nie ein Thema. Aber: Kann ja noch kommen!

Bleibt die Frage, die ich mir bei vielen Studienergebnissen stelle: Wie repräsentativ solche Ergebnisse wirklich sind. Wie jene Global Gender-Gap-Studie vor wenigen Tagen, nach der österreichische Frauen sich wünschen müssten, in Nicaragua oder Nabimia zu leben. Beide Länder rangierten aufgrund der Beurteilungskriterien - wie der Frauenanteil in der Regierung – vor Österreich.

Keine Frage, der eigene Küchentisch kann natürlich kein Beurteilungskriterium sein. Und zur Verteidigung dieser Generationenstudie sei hinzugefügt: Es wird explizit auch darauf hingewiesen, dass vor allem das akademische Milieu sich immer stärker in Richtung Wokeness radikalisiert. So würden die Alten fest auf dem Boden des Pragmatismus und der aufgeklärten Vernunft stehen, während die jungen akademischen Eliten mit Moraldebatten und Sprachpflege beschäftigt seien. Ganz vorne würden da korrekte Sprache und Minderheiteninteressen stehen, bei ihren Eltern wiederum würden Abstiegsängste dominieren. Und dann folgt über den „Kampf der Generationen“ noch eine Beschreibung, die wohl viele ältere Menschen mit einem zustimmenden Kopfnicken quittieren werden. Die junge Generation der Mittelschicht habe die Zeit und Muße, sich mit woken Themen zu beschäftigen, während die Eltern ihre Lebenshaltungskosten finanzieren.

Über einen ganz anderen Kampf, über einen brutalen, mörderischen Kampf berichtet in unserer heutigen Ausgabe die Eröffnungsrednerin des Bachmann-Preises 2023 in Klagenfurt, die Ukrainerin Tanja Maljartschuk. Die Bachmann-Preisträgerin 2018 bezeichnet sich in ihrer Rede als gebrochene Autorin, als eine, die Angst vor der Sprache bekommt, weil Sprache auch Millionen von mehrheitlich friedlichen Bürgern überzeugen kann, im Recht zu sein, andere zu ermorden. Sie verstehe, sagt sie, wie absurd ihre Angst von außen aussehen müsse. Sie fragt: „Kann sich ein Bäcker vor Mehl fürchten? Oder ein Bauarbeiter vor Ziegeln und Zement? Im Jahr 2023 fürchtet sich eine Autorin vor der Sprache.“

Ja, bei solchen Fragen angesichts eines mörderischen Krieges relativiert sich vieles – nicht nur das Ringen um Unisex-Toiletten.

Einen nicht zu heißen Donnerstag mit spannendem Gesprächsstoff mit Ihren Kindern oder Eltern oder Großeltern wünscht Ihnen