Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!

Die Diskussion am Gasthaustisch verläuft angeregt. „Wie lang sollen da noch Waffen an die Ukraine geliefert werden?“, schimpft die Wirtin. „Die Amerikaner wollen ja nur ihre alten Waffen loswerden!“ Der Krieg in der Ukraine müsse aufhören, „aber Selenskyj will immer mehr und mehr Waffen – der ist ein richtiger Schauspieler“, redet sie sich in Rage. EU und USA müssten ihre militärische Unterstützung beenden. „Und dann? Wenn Putin die Ukraine übernimmt, wird ihm das nicht reichen. Dann überfällt er das nächste Land!“, hält ein Gast energisch entgegen. „Alles wird zerbombt. Wer soll das aufbauen?“, fragt sich die Wirtin. Dass der Krieg auch unseren Wohlstand gefährde, darüber sind sich beide einig.

In der konfrontativen Diskussionssendung „Links. Rechts. Mitte – Duell der Meinungsmacher“ auf ServusTV wird am Sonntagabend ebenfalls angeregt über dieses Thema debattiert – unter dem Titel „Ringen um die Ukraine: Unterstützung um jeden Preis?“. Und manches klingt da dann doch ganz ähnlich wie am Gasthaustisch. „Diese Sanktionspolitik gegen Russland ist krachend gescheitert!“, legt Roger Köppel, polarisierender Schweizer Publizist (Weltwoche) und Politiker (SVP), los. Zu glauben, Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen zu können, sei absurd. Das Land sitze auf dem größten Rohstofflager der Welt und arbeite mit China und Indien zusammen. Köppel ortet „eine Stimmung wie vor dem Ersten Weltkrieg. Wir müssen schauen, dass wir zu einem Frieden kommen“.

Der nicht minder umstrittene Ex-CDU-Politiker Jürgen Todenhöfer, seit Jahren bekennender USA-Kritiker, stimmt in die Forderung ein. „Friedensbemühungen sind die einzige Lösung! Politiker wie Helmut Schmidt oder Henry Kissinger hätten längst Verhandlungen mit den Russen“, sagt Todenhöfer, um dann sein bekanntes Narrativ darzulegen: „Die Amerikaner wollen keinen schnellen Frieden!“ Nach Russland sei die Ukraine laut Korruptionsindex der zweitkorrupteste Staat Europas. „Ich sage nein dazu, diesen Leuten Panzer zu schicken.“ Manches klingt hier nach Täter-Opfer-Umkehr. Ex-Grünen-Politikerin Eva Glawischnig hält dagegen: „Putin hat fremdes Territorium überfallen und Kriegsverbrechen begangen! Welches Land ist das nächste, wenn wir uns dem Aggressor nicht gegenüberstellen? Wer würde sich mit Österreich solidarisch erklären?“ Ganz Europa leide unter dem Krieg, aber: „Unter Bombenhagel in Odessa stehen oder in Österreich etwas mehr fürs Gas zahlen – wir leiden schon auch, aber das im gleichen Atemzug zu nennen, das ist nicht angemessen“, sagt Glawischnig.

Echte Vermittlungsabsichten und Friedensabsichten seien derzeit nicht in Sicht, sind sich die Diskutanten einig. „Es ist in unserem größten Interesse, dass in der Ukraine wieder Frieden einzieht - aber nicht einer, der aus dem Kreml heraus diktiert wird und bei dem die Hälfte der Ukraine besetzt ist“, sagt Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. „Wir können unsere Prosperität in Europa nicht halten, wenn wir es zulassen, dass mit Waffengewalt Grenzen in Frage gestellt werden“, betont Felbermayr. Aber auch er ist sich sicher, dass „Putin diesen Krieg lange durchhalten kann“. Was tun, um einem Frieden in der Ukraine näherzukommen? „Der Einzige, der jetzt mit Putin noch einen Frieden machen kann, ist Donald Trump. Wäre Trump Präsident, könnte das gelingen“, wirft Köppel einen „kreativen“ Vorschlag in die Runde. Glawischnigs Konter: „Absurde Idee!“ Felbermayr: „Da vertraue ich dem Herrn Trump keinen Millimeter.“
Der Gasthaustisch ist überall.

Einen diskussionsfreudigen Wochenstart wünscht

Wolfgang Fercher
wolfgang.fercher@kleinezeitung.at