Ein Cola reicht aus. Darauf folgen: Schwindel, Kopfschmerzen, völliger Kontrollverlust. Und bevor der Filmriss einsetzt: eine Vergewaltigung. Für sexuelle Übergriffe braucht es nicht viel. Man nehme ein Saftglas und versehe es mit K.o.-Tropfen. Und mit einem Schlag ist alles anders. Zumindest für die Opfer, die zurückbleiben. Verletzt – psychisch wie physisch.

Fälle rund um K.o.-Tropfen werden laufend bekannt. Erst diese Woche meldeten sich neun Personen nach einer Partynacht in Tirol. Also leisten viele Frauen Vorarbeit: Sie behalten ihr Getränk im Auge, packen Pfefferspray ein, meiden alleine dunkle Straßen – mit dem Heimwegtelefon am Ohr und der Hand in der Tasche. Jederzeit bereit, den Haustürschlüssel als Stichwaffe zu nutzen. So, wie man es beim Selbstverteidigungskurs gelernt hat. Und passiert doch etwas, wiegt das gesellschaftliche Stigma schwer. Waren es tatsächlich K.o.-Tropfen? Oder hat es die Betroffene vielleicht doch provoziert: tiefer Ausschnitt, zu viel Alkohol, keine Selbstbeherrschung.

Also schweigen viele Betroffene. Auch aus Mangel an Beweisen: Die Dunkelziffer bei Opfern von K.o.-Tropfen ist hoch, die meisten Anzeigen verlaufen im Sand. Das hat auch mit der Belegbarkeit zu tun. Viele Substanzen sind nur wenige Stunden im Körper nachweisbar. Wissenschaftliche Methoden werden zwar immer genauer, aber die Studienlage bleibt lückenhaft. Anstelle gibt es jährlich neue Aufklärungskampagnen mit einem gemeinsamen Nenner: Tipps, wie Frau sich schützen kann. Gerade so, als wäre das Opfer selbst für sein Schicksal verantwortlich und nicht der Täter, der sich bewusst für seine Tat entscheidet.

Was es stattdessen wirklich braucht: sensibilisiertes Personal in Lokalen, konsequente Strafverfolgung, ernst gemeinten Opferschutz. Und couragierten Widerspruch. Nicht nur bei misogynen Debatten im Job oder sexistischem Gerede im Internet. Auch bei Fehlverhalten im eigenen Freundeskreis. Der eine lässt beim Flirten nicht locker, der andere versteht betrunken kein Nein. Hinschauen und eingreifen – dazu bedarf es Mut. Aber nur so wird das Heimwegtelefon von der Kurzwahltaste des Handys irgendwann verschwinden.