Die Razzia wurde mit 3000 Beamten generalstabsmäßig in mehreren Ländern durchgezogen: Alleine das zeigt schon Intensität und Tragweite der Bedrohungslage. Vor allem in Deutschland, aber auch in Österreich und Italien gingen die Behörden nun gegen die sinistren und demokratieverachtenden Pläne der Reichsbürgerszene vor. Mit höchst "konkreten" und längst nicht mehr nur "abstrusen Umsturzplänen", betont Thüringens Innenminister Georg Maier. "Bürger" reich an Gift für das Staatsgefüge.

Der Staat, und als solcher natürlich auch Österreich, wird gut beraten sein, diese brandgefährlichen Szenen fortan noch viel genauer im Auge zu behalten. Die Distanz zwischen diffusem Frust gegenüber allem "Staatlichen" und der Bereitschaft zu Gewalt und Anarchie scheint bei immer mehr Menschen zu schwinden. Mit grotesken "Argumenten" wollen Reichsbürger das staatliche und damit auch demokratisch legitimierte Gefüge aushebeln, einer völlig verdrehten Geschichtswahrnehmung und dem eigenen verqueren Weltbild folgend.

Die Lust am Umstürzlerischen, die man auch (rechten) Terror nennen kann und sollte - wie man das bei islamistisch motiviertem Irrsinn tut. Dass der Staatsapparat nicht frei von Fehlern ist und selbst nach Lösungen suchen muss, wurde nicht zuletzt in der von wütenden Demonstrationen begleiteten Pandemie klar. Wo dieser allerdings restlos über Bord gekippt und durch "reichsbürgerliche" Anarchie ersetzt werden soll, ist der Weg in den kollektiven Abgrund vorprogrammiert.

Herrschaftskritischer Grundansatz vergärt zu diffuser, allumfassenden Ablehnung. Alles, was verordnet scheint, wird verachtet, die staatliche Grundordnung ist ohne Nuancen der erklärte Feind. Die deutsche Bundesanwaltschaft zur aktuellen Razzia: "Die Mitglieder der Gruppierung folgen einem Konglomerat aus Verschwörungsmythen bestehend aus Narrativen der Reichsbürger- sowie QAnon-Ideologie." "Die Ermittlungen lassen in den Abgrund terroristischer Bedrohung aus dem Reichsbürger-Milieu blicken", so die deutsche Innenministerin Nancy Faeser.

Es gilt jedoch, schon früher anzusetzen, und noch viel genauer und ehrlicher in das weite Feld der Demokratieverdrossenen zu blicken: Das bescheinigte kürzlich der "Demokratiemonitor" von Sora: Nur noch ein Drittel der Menschen in Österreich glaubt, dass das politische System funktioniert. Das Vertrauen sinkt in allen Etagen der Gesellschaft. Während beim unteren Einkommensdrittel das Gefühl, "Menschen zweiter Klasse" zu sein, dominiert, hadert das oberste Einkommensdrittel mit dem Staat und der Freiheit: Die Hälfte von ihnen fühlt sich "stark bevormundet".

Die Mitte der Gesellschaft stellt sich die Frage, ob das politische System noch Gemeingut ist, oder Selbstbedienung für Privilegierte. Immer mehr entfernen sich weiter vom Glauben an das Staatsgefüge – ohne dabei gleich zu Gewalt zu greifen. Das kann zur Keimzelle für etwas viel Unheilvolleres werden.