„Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.“ Eine Binsenweisheit, gerade wieder exemplarisch exerziert an der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Als Protest gegen das Verbot, die Kapitänsbinde „One Love“ tragen zu dürfen, hatten die elf Kicker vor dem WM-Match gegen Japan ein Zeichen setzen wollen und sich beim obligaten Gruppenbild den Mund mit einer Hand zugehalten. Dass die Auswahl des Vierfach-Weltmeisters als haushoher Favorit gegen die flinken Söhne Nippons im Anschluss 1:2 verlor, wurde daraufhin selbst in Deutschland mit Häme kommentiert: Hätte man sich doch besser auf das Fußballspiel konzentriert als auf ein halbgares Demonstrieren, bilanzierten die Kommentatoren, „mehr Mumm“ forderte dagegen die Twitteria.
Bei dieser WM, die bislang mehr Diskussionen über Menschenrechtsverletzungen und Sklavenarbeit als über sportliche Höhepunkte erlebt, manifestiert sich inzwischen der Eindruck, es wäre moralisch verwerflich, die Spiele im Fernsehen anzusehen. Die Einschaltquoten dümpeln sowohl in Österreich als auch in Deutschland im Mittelmaß dahin. Liegt es an einem bewussten Boykott oder daran, dass die meist achtstündige Spielschicht noch zu wenige attraktive Paarungen bot?
Allmählich scheinen sich die im Kreis drehenden Debatten über Moneten und Moral aber trotzdem zu erschöpfen. Den vielen Worten sollten ohnehin Taten folgen. Anstatt die Sportler in einen unkoordinierten Bekenntniszwang zu treiben, läge es jetzt an den Funktionären, politisch Flagge zu zeigen. Was hindert die nationalen Fußballverbände Europas eigentlich daran, ihrer angeblichen Entrüstung gegenüber der FIFA Ausdruck zu verleihen, indem man einen Gegenkandidaten zum selbstherrlich-verblendeten Gianni Infantino nominiert? Bislang ist der seit 2016 amtierende Nachfolger von Sepp Blatter einziger Bewerber für die Wahl zum nächsten FIFA-Präsidenten im kommenden März. Der dafür entscheidende Kongress des Welt-Fußballverbandes findet in Kigali, der Hauptstadt des ostafrikanischen Ruanda statt. Die Chance, Infantino dabei zu entthronen ist tatsächlich minimal, da alle über 200 Mitgliedsländer nur über jeweils eine Stimme verfügen. Deutschland, Dänemark & Co riskieren also wenig, wenn sie mit einem Herausforderer in der Abstimmung untergehen - schlimmstenfalls, dass ihre Funktionäre bei etwaigen Bestechungen vor der nächsten WM-Vergabe nicht mehr zum Zug kommen könnten…
Für Hansi Flick und seine Mannen geht es heute allerdings um alles: Gegen die famos aufspielenden Spanier ist Verlieren verboten, will der DfB nicht schon nach der Vorrunde die Heimreise antreten.
Wir begleiten Sie gern live durch dieses Match - sofern Ihr Gewissen nicht auch protestiert.
Einen schönen Sonntag wünscht