Wir haben heute einen Mantel um die Zeitung gelegt, in eigener Sache, genauer gesagt, die Druckmaschinen in Graz und St. Veit haben es für uns getan, so an die 220.000 tausend Mal. So hoch ist die abonnierte Auflage, mal dreieinhalb, das ist der Mitlesefaktor, dann kriegen Sie in etwa die Leserinnen und Leser, laut aktueller Media-Analyse (da, wo in der Selbstdarstellung alle Zeitungen immer gewonnen haben) sind das 712.000. Der „Standard“ hat übrigens einen Mitlesefaktor von zehn, dort muss jeder Print-Abonnent (55.000) in einer großen WG leben.
Unsere Auflage macht jedenfalls noch immer was her, aber sie war schon einmal noch höher. Das waren die solid gold-Jahre. Wenn wir ihnen allzu nostalgisch nachtrauern, holen wir meistens das Print-Auflagen-Ranking von Amerika aus der Lade und reihen uns spaßhalber keck ein: Die „Kleine Zeitung“ wäre hinter dem Wall Street Journal (697.000 verkaufte Auflage) und der New York Times (329.000) auf Platz drei, vor USA Today (159.000 - die kultig schmale, hohe Zeitung, die immer vor der Hoteltür lag) und vor der Washington Post (159.000). Zweitgrößte Zeitung in Österreich und drittgrößte in Amerika - so hüpfen wir über Tage, wenn sie trüber werden.
Nicht eingerechnet sind da die 60.000 neu hinzugekommenen digitalen Abonnenten (E-Paper, Web, App), unsere Zukunfts-Polizze. Bei ihnen bedanken wir uns heute auf dem Umschlag und heißen sie willkommen. Mit dem Markstein sind wir landesweit führend, auch wenn uns die Widrigkeiten der Gegenwart ebenso treffen wie unsere Mitbewerber: das verteuerte Papier, die Wirtschaftskrise, die fehlenden Zusteller, die Nachrichten- und Krisen-Müdigkeit. Ich kann mich noch gut an das Jahr erinnern, als wir übereinkamen, im Digitalen nicht mehr Gratiszeitung sein zu wollen. Fast ein Jahr lang hatten wir um die Entscheidung gerungen.
Am Ende setzte sich die Überzeugung durch, dass die Vermarktung der digitalen Reichweite allein nicht in der Lage sein würde, Journalismus auf Dauer zu refinanzieren. Das war Ende 2016. Auf den Folien war ein helles Blondes zu sehen, darunter stand, Schluss mit der Freibier-Kultur! Gleich daneben war eine Schwarzweiß-Karikatur abgebildet mit einem Strichmännchen, das ins kalte Wasser sprang. Das waren wir. Wir machten den Anfang. Wir wollten uns nicht mehr verschenken, schon gar nicht mit Inhalten, für die wir am nächsten Morgen im Abonnement Geld verlangen. Darin sehen wir uns Jahre später bestätigt. Ohne bindungsbereite digitale Leserinnen und Leser sind die Zeitungen perspektivisch erledigt.
Um auch im Digitalen Loyalität aufzubauen, wie wir in unserem Meeting-Deutsch sagen, legen die Zeitungen viele neue Schläuche zu potenziellen Lesern aus, meist kostenlos als Freibier, dieser Newsletter ist so ein Schlauch. Wir schalten um Mitternacht die Stirnlampe ein oder ziehen in der Morgendämmerung die Vorhänge zur Seite, ehe wir in zweifelhafter Adjustierung den Laptop daheim aufklappen. Zehntausend Leserinnen und Leser beziehen täglich die „Morgenpost“. Der Zuspruch freut uns. Das Lesermarketing sagt uns, dass die Hälfte davon Nicht-Abonnenten seien, also noch ungebunden. Ich will heute, an unserem kleinen Feiertag, an dem für Vormittag im Konferenzsaal „Styria“ ein netter Termin mit zwei einander zugeneigten Sektgläsern eingetragen ist, keinen unnötigen Druck aufbauen; aber ich finde, wir sind echt schon ziemlich lange verlobt.
Einen schönen Herbsttag und Gratulation an Sturm Graz für ein tolles und beherztes Spiel in Rom,
Ihr