Es wäre nicht Alexander Van der Bellen, wenn er nicht gleich zu Beginn mit einer launigen Bemerkung den furchtbar steifen Charakter der Angelobung durchkreuzt hätte. Der Bundespräsident setzte zur Begrüßung an, als er für Sekundenbruchteile innehielt und selbstzweifelnd formulierte: "Herr, Landeshauptmann, ich hoffe, ich kann Sie so ansprechen … Wenn nicht, ist es auch egal."
Sechs Stunden zuvor, gegen vor elf Uhr vormittags, war Christopher Drexler vom steirischen Landtag zum Nachfolger von Hermann Schützenhöfer gewählt worden. Bald danach war er in Begleitung seiner Mutter, seiner Frau, seiner beiden älteren Töchter nach Wien geeilt, um in Gegenwart des Kanzlers und des Vizekanzlers in der Hofburg den Amtseid abzulegen. Was tatsächlich die Frage aufwirft: Ab wann war Drexler eigentlich Landeshauptmann? Schon am Vormittag, als er von einer deutlichen Mehrheit im Landtag gewählt wurde? Oder erst um 17.08 Uhr nach der Gelöbnisformel? Was ist, wenn Van der Bellen die Angelobung verweigert hätte? Wäre das überhaupt möglich gewesen?
Während Drexler hinter der Tapetentüre mit dem Bundespräsidenten konversierte und Drexlers Begleittross eine fachkundige Kurzführung durch die Prunkräume der Präsidentschaftskanzlei genießen durfte, griff ich zum Telefon. „Ohne Angelobung kann ein Landeshauptmann seine Amtsgeschäfte nicht aufnehmen“, erklärte der renommierte Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Die Wahl im Landtag sei nur der erste Schritt. Will heißen: Die für heute geplante Kür des bisherigen Volksanwalts Werner Amon zum neuen Landesrat hätte gestern in der Phase des mehrstündigen Interregnums gar nicht stattfinden können.
Gleichzeitig eilte ein fachkundiger Mitarbeiter der Hofburg herbei, um deutlich zu machen, dass Analogien mit der Angelobung von Regierungsmitgliedern fehl am Platz seien – bekanntlich hatte Van der Bellen im Vorfeld der Regierungsbildung von Kurz-1 zu verstehen gegeben, dass er die FPÖ-Politiker Gudenus und Vilimsky nicht als Minister angeloben würde. „Bei den Landeshauptleuten gibt es kein Vetorecht, der Bundespräsident muss die Angelobung unverzüglich abwickeln.“
Bemerkenswert zwei Dinge: Van der Bellen äußerte in seiner Rede die Hoffnung, dass er zu Drexler ähnlich „vertrauensvolle Beziehungen“ unterhalten wolle wie zu Schützenhöfer. Nicht nur im Interview mit meinem Kollegen Ernst Sittinger, auch nach der Angelobung unterstrich Drexler, dass er den Klimaschutz an die Spitze der Prioritätenliste setzen werde. Ob dazu auch ein Verbot der Wohnbauförderung für Einfamilienhäuser, ein Antidiskriminierungsgesetz für Obst und Gemüse in Kombination mit einer Abnahmepflicht für krummes Gemüse durch den Handel, Tempo 90 auf Bundesstraßen, die Einführung eines autofreien Tages einmal im Monat in Wien, Graz, Linz, Klagenfurt, Villach, wie vom Klima-Rat der Umweltministerin vorgeschlagen, dazugehört, bleibt abzuwarten.
Launig Drexler beim Abgang auf die ketzerische Frage, warum er gestern dauernd die Einzigartigkeit der Steiermark hervorgekehrt hat, aber keinen Steireranzug trägt: „Ich muss keinen Steireranzug anziehen, um ein Steirer zu sein. Die Steiermark ist ein Land, das sich auf kein Klischee verkürzen lässt.“
Weniger launig wird wohl die heutige Krisensitzung der Bundesregierung zum Gas-Engpass ablaufen. Die Hoffnung, dass bis zum Herbst die Speicher zu 80 Prozent voll sind, dürfte sich nicht erfüllen. Noch dazu drängt sich die Frage auf, wem das Gas, das in Österreich gespeichert ist, überhaupt gehört. So lagern die Slowenen ihre strategische Gasreserve in Österreich, auch die Deutschen bunkern einen Teil des Gases hierzulande ein. Sollte es knapp werden, will die Bundesregierung die Gasvorräte beschlagnahmen. Ob Berlin und Laibach das stillschweigend akzeptieren würden? Oder würde dann zwischen Österreich und den Nachbarn der Gaskrieg ausbrechen? Wir hoffen es jedenfalls nicht.
Bleiben wir zuversichtlich.
Ihr