Heute ein bisserl was Schwierigeres:Eine 18-jährige Schülerin wird „voll verkabelt“ bei der Reifeprüfung erwischt. Wie wäre so ein Fall, der im steirischen Deutschlandsberg derzeit viel Staub aufwirbelt, zu beurteilen? Ist das Betrug? Die strafrechtlich relevante Erschleichung einer öffentlichen Urkunde? Oder eine lässliche Sünde, eine Bagatelle? Oder irgendwas dazwischen?
Klar ist, dass wohl in jedem Menschen, der je eine Schule von innen sah, gewisse Erinnerungen aufsteigen. Ihr Morgenpostler war zwar in vielerlei Hinsicht voller Fehl und Tadel, aber im Klassenzimmer jedenfalls gehörte er stets zur raren Spezies derer, die ihre Schul- und Hausaufgaben selber machten. Und diese dann möglicherweise den Mitschülern zur gefälligen Verwendung überließen. Es war natürlich die Vor-Internet-Zeit, tiefstes Analogikum sozusagen. Aber trotzdem - oder deshalb - fanden sich immer Wege, um das erworbene Wissen zu teilen. Ich weiß noch gut, dass ich bei Mathematik-Schularbeiten ungefähr zur Halbzeit die Toilette aufsuchte und dort den starken Drang verspürte, die Lösungsansätze mit Bleistift an die weiße Türe zu schreiben. Quasi eine politische Pflicht, ich war ja Klassen- und Schulsprecher. Das Gekritzel fand reißenden Anklang wie weiland Luthers Thesen an der Kirchentür zu Wittenberg.
Trotzdem würde ich sagen, dass es Grenzen des Nachsehbaren und Lässlichen gibt und jenseits davon eine Sphäre, wo Toleranz nur mehr in kleineren Dosen angezeigt ist. Zu wünschen wäre, dass die Schule Menschen hervorbringt, die letztlich einen gesunden Bezug zur eigenen Leistung und deren Grenzen entwickeln. Denn viel Unglück dieser Welt entsteht durch Menschen, die Kritik nicht vertragen, die zu eigenen Fehlern nicht stehen, ihre Grenzen nicht kennen und die Folgen ihres Tuns auf andere abwälzen. Durch unwahrhaftige, überhebliche, verletzende Menschen. Darin läge dann der eigentliche Schaden. Nicht bei Aufgabe 3a irgendeiner Mathe-Schularbeit von irgendwann.
Dass jeder etwas kann, aber keiner alles kann - vor allem das lernt man in der Schule fürs Leben. Im Übrigen wäre es schön, wenn Bildungsinhalte so rasend interessant aufbereitet und vorgetragen würden, dass Schüler gar keine Lust haben, sich selber um den Erkenntnisgewinn zu bringen.
Sie sehen: Man soll zwar wissen, aber man darf trotzdem lebenslang träumen.
Einen verträumten Samstag wünscht