Ein Hotelgarten im Gasteinertal, ein ruhiger Sommertag nach den ersten Schreckensmonaten der Pandemie. Von einer Sonnenliege erhebt sich ein Gast, stattlich und weißhaarig. Er lächelt verschmitzt, nimmt kurz Anlauf und hechtet kopfüber in den Swimmingpool. Der Wiederauftauchende ist Christian Wehrschütz, Korrespondent im Kurzurlaub mit Ehefrau und Enkeltochter, nahezu rastlos zwischen seinen Einsätzen in Serbien und Albanien. Eben noch hat er uns eine Reportage von gewaltsamen Protesten in Belgrad geschickt, abends will ihn auch die ZIB zur Corona-Krise am Balkan befragen. „Aber viel Zeit ist nicht, ich muss dann gleich weiter, nach Kiew…“

Eineinhalb Jahre später ist Wehrschütz wieder dort, eingekesselt von russischen Truppen und spricht vor einem Regal mit starren Aktenordnern schier Unfassbares in sein Laptopmikrofon: „Wir haben eine für Journalisten ausgezeichnete Position, direkt neben dem Präsidentensitz. Sollte es einschlagen, sind wir die ersten, die es mitbekommen!“ Wenige Stunden zuvor war der 60-Jährige über Rumpelpisten noch aus der ostukrainischen Stadt Mariupol geflohen, Kleine-Userinnen und ORF-Seher zitterten in Echtzeit mit, als er im Adrenalinrausch durchs Kriegsgebiet raste. „Ah, jetzt hat es hier auch gekracht“, kommentierte der gelernte Milizoffizier salopp, als eine Detonation den Live-Einstieg aus seinem zur Drohnenabwehr verdunkelten Auto störte.

Während die Twitteria den Abgebrühten rauf und runter feiert, ihn wiederholt zum „Journalist des Jahres“ erklärt und rätselt, ob es sich bei „Wehrschütz“ vielleicht um einen Künstlernamen handelt, stochern manche Kollegen lieber noch in alten Wunden. Denn als Student an seiner Heimatuniversität Graz hatte der achtsprachige Jurist für die als rechtsextrem gebrandmarkte Zeitschrift „Die Aula“ geschrieben. Und obwohl Wehrschütz seither in mehr als drei Jahrzehnten Berichterstattung für den ORF und die Kleine Zeitung en Detail über den Zerfall des ehemaligen Jugoslawien, die Kriege auf dem Balkan und den Wiederaufbau der Region berichtete, wird ihm diese Episode ebenso schwer verziehen wie seine Vergangenheit als Chefredakteur der FPÖ-Wochenzeitung. Doch vermutlich entlarven sich seine moralisch gefestigten Ankläger selbst, wenn sie - wie nun der Herausgeber des „Falter“ - den nimmermüden Wehrschütz als „unseren Clown im Krisengebiet“ und „einen mit Grabesstimme begabten Lustigmacher des Weltgerichts“ bezeichnen.

Einen noch untadeligen Lebenslauf
hat dafür Wehrschützs Korrespondentenkollege Paul Krisai vorzuweisen. Der junge Niederösterreicher, der seit Oktober letzten Jahres das Moskauer Büro des ORF leitet, studierte ebenfalls in Graz - allerdings Journalismus an der FH Joanneum. Unter Lehrgangsleiter Thomas Wolkinger zeichnete er auch für ein hundertseitiges Printmagazin über die Ukraine mitverantwortlich, Recherchereisen nach Kiew, Lemberg und Tschernobyl bildeten dafür das Grundgerüst. Neben soliden Russischkenntnissen wohl nicht die schlechteste Basis, um vom kriegerischen Kräftemessen zu berichten. Für wahnwitzige Wuchteln à la Wehrschütz bleibt ihm ja noch Zeit…

Mit den besten Wünschen an alle Korrespondenten im Kriegsgebiet.