Die „erweiterte Chefredaktion“ ist ein wichtiges Gremium in unserer Zeitung, etwas größer als der Kreis, der für Sie Tag für Tag eine „Morgenpost“ verfasst. Einmal in der Woche versammelt sich die Gruppe virtuell und redet über Grundsätzliches. Gestern ging es um die Frage, wie umgehen mit der geplanten Impfpflicht, die am 20. Jänner dem Parlament zur Beschlussfassung vorliegen wird. Soll, muss die Zeitung dazu eine klare Blattlinie vertreten, und wenn ja: welche?

Das Ergebnis der langen Debatte lässt sich nicht leicht zusammenfassen. Wer ein schlichtes Ja oder Nein zu der umstrittenen Maßnahme erhoffte, wurde enttäuscht. Ernst Sittinger, der wortgewaltige Jurist und Freund größtmöglicher Differenzierung, versucht in seinem heutigen Leitartikel, die Schwierigkeit zu beschreiben: „Im Angesicht einer tückischen Krankheit, die sich tarnt, wandelt und laufend neue Gegenmaßnahmen erfordert, wird das Impfpflichtgesetz zum Drahtseilakt“, schreibt er und begründet die Schwierigkeit, die auf den Gesetzgeber zukommt: „Es muss vollziehbar und nachvollziehbar sein, verhältnismäßig und ziemlich flexibel. Wandelt sich die Pandemie ins Harmlose, ist die Geltung sofort auszusetzen. Gibt es gegen neue Varianten (noch) keinen passenden Impfstoff, muss man auf ihn warten. Dazu die schon jetzt brennenden Fragen nach Kontrollen, Sanktionen, Strafen, Aufwand.“

In den wenigen Sätzen steckt alles, was diese Pandemie so anstrengend macht, sie erklären, wieso wir so gereizt auf ihre Zumutungen reagieren. Jede politische Entscheidung, jede journalistische Positionierung steht unter dem Vorbehalt von Entwicklungen, die niemand genau prognostizieren kann. Das Virus reizt den Rahmen der Verfassung aus, die Grenzen der Medizin und die unserer Geduld sowieso. Ungenauigkeit, Unvorhersehbarkeit und Grautöne vertragen wir schlecht.

Zum Trost noch etwas Präzises aus der Welt der Wissenschaft. Auf Seite 16 unserer Zeitung erfahren Sie, dass der Struthiosaurus austriacus träge, schwerhörig und infolgedessen einzelgängerisch gewesen sein muss. Woher man das wissen kann? Das Hirn und der Gehörgang von „Struthi“, wie den 80 Millionen Jahre alten Saurier seine niederösterreichischen Landsleute rufen, wurde mit aller wissenschaftlichen Genauigkeit digital rekonstruiert. Auf diesem Wege fanden Cathrin Pfaff und Marco Schade heraus, dass Struthi zu Lebzeiten die kürzeste jemals bei Dinosauriern festgestellte Gehörschnecke im Innenohr hatte. Das sind halt noch Ergebnisse!