Stefanitag und Neujahrstag sind klassische Ausstrahlungstermine. Da wird die Sehnsucht nach der großen, weiten und heilen Welt ebenso bedient wie so manches Klischee. Seit das Traumschiff am 22. November 1981 erstmals übers Meer und die TV-Bildschirme schipperte, mit Kurs auf die Bahamas, scheint es unsinkbar – auch nach dem Tod von „Erfinder“ und Produzent Wolfgang Rademann 2016. Schweden (Folge 91) und Namibia (Folge 92) standen dieser Tage auf dem Reiseplan. Mit den bekannten Mustern: Titelmelodie von James Last, Boarding, erste sehnsüchtige Blicke, seichte Dialoge bei bescheidenem Wellengang („Kennen wir uns?“ - „Wenn wir uns schon mal gesehen hätten, könnte ich mich an Sie erinnern“), Animositäten zwischen Ehepartnern, Flirts, herrliche Landschaftsaufnahmen, einige Reiseführer-Infos, irgendwo ein dramatischer Zwischenfall, Kontaktaufnahme mit Einheimischen, der Kapitän als Mediator, Happy End beim finalen Dinner – wieder mit James Last („Taaatttaa taattaaa taattaaa“), Eistorten und Wunderkerzen.

Bei dieser Schlussszene (die nicht für jede Folge neu gedreht wird) monierte ich in meiner Kindheit gerne, dass es diesen Wunderkerzen-Aufmarsch in der Realität gar nicht gäbe. Einige Jahre später sollte ich als Schiffskellner auf der MS Caronia eines Besseren belehrt werden. Wir trugen die „Baked Alaska“ (ganz viel Eis, Biskuit, Eischnee und noch mehr Kalorien) mit den Wunderkerzen beim „Farewell Dinner“ am Ende jeder zwölftägigen Kreuzfahrt, tatsächlich freudestrahlend durch den Speisesaal, unter rhythmischem Klatschen der Gäste. Nur James Last fehlte. Dessen Musik lief in der Serie übrigens nicht immer. In Folge 17 und 18 (1990/1991) steuerte ein gewisser Udo Jürgens die Titelmelodie bei. „Solang′ man nie den Mut verliert, gibt es ein Traumschiff, das uns ins Morgen führt“, sang er da. Ging nicht als eines seiner Meisterwerke in die Musikgeschichte ein.

Apropos Meisterwerke. Waren die aktuellen Folgen auch mal wieder nicht. Statt Schauspielerinnen setzt man jetzt auf Influencerinnen wie Caro Daur (muss man nicht kennen) oder Comedians wie Bülent Ceylan. Harald Schmidt ist noch immer da und persifliert sich selbst. „Kapitän“ Florian Silbereisen wird in diesem Leben kein talentierter Schauspieler mehr. Und die Stereotype – die bedient man auch mal mit rassistischen Vorurteilen, wenn etwa der Staff-Kapitän von den Einheimischen in Namibia bejubelt wird, weil er ihnen einen Dieselmotor repariert. Danke, weißer Mann. Ein schwarzer Drogendealer darf auch nicht fehlen. Ein Happy End gab es trotzdem.

Für Menschen, die derzeit auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs sind, geht sich das nicht immer aus. So musste am Wochenende die „Aida Nova“ wegen Coronafällen an Bord ihre Reise in Lissabon unterbrechen. Für die Gäste auf „Mein Schiff 6“ war in Dubai unfreiwillig Endstation. Einige Tage davor musste schon die „MS Europa 2“ die Reise abbrechen. In den USA warnt mittlerweile die Gesundheitsbehörde CDC: „Vermeiden Sie Kreuzfahrten, unabhängig vom Impfstatus.“ Binnen zwei Wochen seien mehr als 5000 Coronafälle auf Kreuzfahrtschiffen in US-Gewässern gemeldet worden, heißt es. Omikron stellt nicht nur die schwer gebeutelte Branche vor Herausforderungen. „Ich nehme an, dass diese Variante durch die Bevölkerung durchbrennen wird“, sagt der Virologe und Impfstoffforscher Florian Krammer in einem lesenswerten Interview von Martina Marx. Mögen sich die Feuerschäden in Grenzen halten.

Ein Jahr mit viel Zuversicht und Freude an unnützem Halbwissen wünscht