Als die Regierung ihren verwirrenden Stufenplan mit eingebauter siebentägiger Verzögerungsschleife vorstellte, der vor lauter Entscheidungsangst ständig hinter der Wirklichkeit hinterherstuft und hinterherhatscht, und für den man beim Einkaufsbummel in die Stadt neuerdings eine Betriebsanleitung braucht, zeigte die Illustration unserer Titelseite ein Labyrinth. Darüber setzten wir den Aufmacher, er lautete: „Irrgarten der Pandemie“.
Das Kanzleramt war nicht erfreut. Schon früh am Morgen, draußen graute er noch, tippte der Medienbeauftragte grußlos ein mittelgiftiges SMS ins Handy: „Vielen Dank für die freundliche Mithilfe. Hashtag Irrgarten der Pandemie. Hashtag Zynismus“.
Ich war in Sauris, einer kleinen deutschen Sprachinsel auf der friulanischen Seite der Karnischen Alpen, eingebettet in eine prachtvolle Bergkulisse. Frau Schneider, die 78-jährige Wirtin des famosen Gasthofs „alla pace“, zum Frieden, klagte gerade, dass der alte, spätmittelalterliche Dialekt, eine schöne Variation des Tirolerischen aus dem Hochpustertal, nur noch von den Ältesten im Dorf gesprochen werde und in der Volksschule jetzt auch nicht mehr, auch nicht stundenweise, seit Rom die vakante Stelle mit einer Lehrerin aus Sizilien besetzt habe. „Messina!“.
Ich hielt mich an den Friedensauftrag des alten Gehöfts, bat die Nonna um Verständnis für die kurze Unterbrechung, und setzte aus dem Bergdorf auf 1800 m ein höfliches und knappes Antwortschreiben an das Kanzleramt in Wien ab. „Na ja, lieber G.F., das Masken-Tohuwabohu und die retardierende 7-Tage-Nummer: Stoff für die Rätselseite. Wo bleibt die alte Klarheit? Mit zynismusfreien Grüßen aus dem Off: H.P.“
Es ging dann noch eine Weile munter hin und her zwischen Ballhausplatz und Sauris, alla pace im Ton, aber ich konzentrierte mich dann wieder auf die Frau Schneider, die Seele des Hauses, ihre Untergangselegie und ihren selbstgemachten Latschenkiefer-Grappa nach der Polentaschnitte mit dem überbackenen Almkäs und den Steinpilzen.
Apropos Italien.Als erstes Land in Europa schreibt der Nachbar allen Beschäftigten im privaten und öffentlichen Bereich Impfungen oder negative Covid-Tests vor, um ihrer Arbeit nachzugehen. Der „grüne Pass“, in den Schulen längst Pflicht, wird umfangreich ausgeweitet, gestern fiel in Rom der Regierungsbeschluss. Beschäftigte, die die neuen Vorschriften missachten, können ohne Bezahlung freigestellt werden, in öffentlichen Einrichtungen nach fünf Tagen, in der Privatwirtschaft sofort. Die Test gelten 72 Stunden, dafür kosten sie was, Oberkante 15 Euro.
Würde mich die großartige Frau Schneider im Alla Pace fragen, welche gesetzlichen Regelungen es denn für den Arbeitsplatz in Österreich gebe, hätte ich ihr den heutigen Leitartikel von Georg Renner gezeigt und geantwortet: „Gar keine“. Dann hätte ich in der Stube mit den geschnitzten Holzpantoffeln und den Faschingsmasken auf dem Kachelofen das Stamperl erhoben und auf die Klarheit Italiens angestoßen und die des himmlischen Latschenkiefer-Grappas der Nonna.
Draußen Herbst und Sauris weit weg.
Herzlich: