In der Pandemiebekämpfung hat Österreich wahrlich nicht immer vorbildlich agiert. Bei gerichtlich aufgehobenen Verordnungen etwa. Oder vielen kurzfristigen Maßnahmen, die die Behörden als umsetzendes Organ zeitlich in die Bredouille brachten. Der Blick in den Rückspiegel zeigt aber auch: In manchen Bereichen war man im internationalen Vergleich Vorreiter. So hat der Bund den ersten Lockdown früh- und rechtzeitig ausgerufen. Später folgte rasch ein breites, unbürokratisches Testangebot.
Zuletzt setzte man auf die Einführung der 3-G-Regeln. Getestet, geimpft, genesen – das gehört hierzulande seit dem 19. Mai quasi zum guten Ton. Mittlerweile sind Frankreich und Italien nachgezogen. Deutschland will die Vorgaben noch im August umsetzen.
Österreich verschläft klare Entscheidungen
Während das Ausland nach und nach die 3-G-Regel übernimmt und weiterentwickelt, verschläft Österreich klare Entscheidungen, um den steigenden Coronafällen – nicht zuletzt in den Krankenhäusern – für den nahenden Herbst entgegenzuwirken. Aus dem Gesundheitsministerium sind lediglich vage Ideen über die Herbstpläne zu vernehmen. Wie den möglichen Zutritt nur für Geimpfte ab Oktober, den der Gesundheitsminister am Dienstag via ZiB 2 verkündete. Oder wie jene Idee über die 2-G-Regel, die die Kleine Zeitung am Mittwoch exklusiv vermeldet. All das nährt den Boden für Forderungen aus den Bundesländern und mögliche Alleingänge. Wien zögerte damit auch in der Vergangenheit nicht.
Doch die falsche Zurückhaltung der Bundesregierung ist fatal. Sie befeuert eine unkontrollierte Debatte um mögliche Rechte für Geimpfte und heizt die ohnehin gespaltene Stimmung in der Gesellschaft weiter an. Auch die Unsicherheit steigt: Darf ich mit dem Genesenen-Status künftig noch auf ein Konzert? Oder muss ich für das schnelle Bier beim Wirt ums Eck einen negativen PCR-Test vorweisen? Sind 2 G tatsächlich sinnvoller als 3 G? Oder wäre das nur eine Alibiaktion, um eine Diskriminierung von Ungeimpften zu verhindern? Die Antworten bleiben offen.
Offen, was die Zertifikate noch wert sein werden
Sowieso will der Gesundheitsminister derzeit noch nicht „auf breiter Basis zwischen Ungeimpften und Geimpften unterscheiden“. Nachsatz: „Wir müssen aber anfangen, eine Diskussion darüber zu führen.“ Eine Diskussion, die in der Öffentlichkeit de facto seit Wochen läuft – nicht zuletzt durch das Ministerium selbst verschuldet. Schließlich reicht das Genesenen-Zertifikat nicht mehr für den Discobesuch aus und der Nachweis über die erste Teilimpfung nicht mehr für den Zutritt in Gastronomie und Co.
Stattdessen scheint offen, was all die Zertifikate, Tests, Absonderungsbescheide und Befunde, die jetzt als Eintrittsberechtigung fungieren, in den nächsten Wochen noch wert sein werden. Auch die Frage, wann und ob das Testangebot reduziert oder kostenpflichtig wird, ist ungeklärt.
Die Politik harrt der Dinge. Dabei sind Entscheidungen überfällig. Alle Bürger – egal, ob geimpft oder nicht – müssen sich auf die Herbstanforderungen einstellen können. Nicht aber auf einen weiteren Lockdown. Darauf zuzusteuern, darf keine Option sein. Also schafft endlich Klarheit!