Im Wust der Meldungen ging diese fast unter: Zur deutschen Bundestagswahl Ende September sind sage und schreibe 53 Parteien zugelassen. Das gab der Wahlausschuss gestern bekannt. Unter den angehenden Volksvertretern befindet sich so ziemlich alles, was denkbar ist, und dazu noch ein bisserl mehr: die Christenpartei, die Gartenpartei, die Gerechtigkeitspartei und auch eine „Europäische Partei Liebe“ sowie „Die Sonstigen“.
Ist Politik zu einem Feld des Jux-Aktionismus verkommen? Immerhin wurde zum Beispiel die „Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands“ abgelehnt, wenn auch nur aus formalen Gründen. Oder ist es ganz einfach so, dass den klassischen Parteien die Integrations- und Bindungsfähigkeit inzwischen völlig fehlt? In Internet-Foren kann man täglich nachlesen, dass schon beim geringsten Meinungsstreit rasch die Idee folgt: Gründen wir doch lieber eine eigene Partei! Und auch im realen Leben fehlen uns zunehmend Konzepte, Mut und langer Atem, um Differenzen zu akzeptieren und trotzdem Vorzüge des Gemeinsamen zu wahren. Siehe Scheidungsrate, siehe Einpersonenhaushalte, siehe „Staatsverweigerer“, siehe Austrittswünsche aus der EU und so weiter.
Fällt die Gesellschaft auseinander? Das vermutlich nicht. Aber wir sollten ernsthaft darüber reden, wie wir einander künftig in unserer Verschiedenheit aushalten. Wie wir Zeitgenossenschaft gedeihlich organisieren, obwohl es doch so verlockend erscheint, sich schmollend in die nächste Ecke zurückzuziehen und seine eigene kleine Welt zu bauen.
Die oft beschworene „Diversität“ ist mühsam. Soll sie funktionieren, muss sie mit der Bereitschaft einhergehen, sich in Gemeinschaften einzufügen. „Mannschaftsdienlich“ heißt das im Fußball: Es muss wieder zur Tugend werden, sich bisweilen zurückzunehmen, anstatt jede Facette des eigenen Seins penetrant auszustellen.
Einen gesellschaftlich anregenden Samstag wünscht