Sigi Wolf saß auf dem mit Leder gepolsterten Rücksitz seines Dienstautos und schaute hinaus in die vorbeiziehende, aufblühende Landschaft, als der steirische Manager über den Deal seines Lebens sprach. Über die neue Zukunftsmarke Steyr. Und wie er die über hundertjährige Geschichte am oberösterreichischen Standort fortschreiben würde. Früher Fahrräder und Waffen. Jetzt elektrische City-Busse. Wolf war über die Autokamera zugeschaltet, und er war sich seiner sicher. Das merkte man am Blick hinaus. Es war vor Ostern. Ein Hintergrundgespräch von unterwegs, keine Zitate. Mit sichtbarem Stolz erwähnte der Autobauer mit der „russischen Seele“, wie der frühere Chef der Sberbank den Steirer einmal in einem Geburtstags-SMS würdigend genannt hatte, dass er keine Weggeh-Prämie zahlen werde wie andere, die Einfallslosen, sondern eine „Bleibeprämie“, und wie er die Mitarbeiter am Erfolg partizipieren lassen werde, auch wenn sie Opfer zu erbringen hätten. Stronach-Sound. Wolf wirkte zuversichtlich, dass er die Belegschaft und den Betriebsrat von seiner Mission und Sendung überzeugen würde. Nur ab und zu riss die Verbindung ab und das Gesicht fror ein.
So ähnlich muss der Gesichtsausdruck gewesen sein, als der erfolgsverwöhnte Manager mit dem feingeflochtenen Netzwerk quer über den Kontinent gestern von der Abstimmung der MAN-Belegschaft erfuhr. Wolf hatte einen Zuspruch von zwei Dritteln der Mitarbeiter erwartet, er wolle keinen Graben managen, jetzt wurde es eine Zwei Drittel-Ablehnung. Wem galt das brüske Nein, das das Risiko einer Schließung miteinbezog? Ihm? Der russischen Seele? Dass Magna unter Wolf vor Jahren heimlich die Angel nach der Voest, dem Stolz der Industrieregion, ausgeworfen hatte? Späte Vergeltung? Manfred Neuper, Wirtschaftsressortleiter, glaubt das alles nicht. Im Leitartikel attestiert er Sigi Wolf Feuergeist und Engagement, nennt aber auch einen gravierenden taktischen Fehler, der dem Investor zum Verhängnis geworden sei: Wolf habe sich als künftiger Eigner und Hausherr zu offen Schulter an Schulter mit dem ungeliebten MAN-Management in München präsentiert. Das brachiale Nein sei Ausdruck einer tiefen Verbitterung über den Bruch der Standortgarantie. Bis 2030 sei Steyr gesichert, hatte es noch vor wenigen Jahren geheißen. Der Groll über die kühle Annullierung der schriftlichen Zusage habe auch Wolf erfasst. Das Nein sei Auflehnung gegen eine „Friss oder stirb“-Strategie, ein emotionaler Aufschrei, irrational, weil letztlich gegen die eigenen Interessen, die eigene Existenz, gerichtet. Jetzt bleibt nur der hilfesuchende, sehr österreichische Blick in Richtung Politik. Sie soll es richten. Doch politischer Druck, so Neuper, sichere noch keinen Produktionsstandort.
Wolf selbst erreichten wir am Telefon.Kein Bild, kein Blick aus dem Fenster, Frustration, die um Fassung ringt. War es das? „Sag niemals nie. Ich habe jetzt keine Aktien mehr im Spiel. Der Appell müsste von der Belegschaft kommen. Ich gehe nicht darum betteln, dass ich mein Geld irgendwohin tragen darf.“ Kernsätze des knappen Gesprächs. Vielleicht erinnerte sich der Steirer in diesen Augenblicken an jenen schicksalshaften Novembertag im Jahr 2009, als er mit seiner Tochter beim Heurigen saß und das Handy läutete. Fritz Henderson, der Boss von GM, war am Apparat. Alles war fertig aufgesetzt, der Deal in langen, teuren Monaten penibel vorbereitet. Der Kooperationsvertrag: tausend Seiten lang. Sogar der Termin für die Unterschrift war fixiert. Magna kauft Opel, es hätte die größte Firmentransaktion aller Zeiten für Österreich werden sollen. Henderson kam gerade aus der Sitzung des Verwaltungsrats. Er habe eine schlechte Nachricht. Man habe in letzter Minute vom Verkauf Abstand genommen. Es werde dazu nicht kommen. Sigi Wolf hat einmal in vertrauter Runde selbst erzählt, wie er im Schock reagierte: „Fritz, are you joking?“
Der Mann ist erfolgreich, er war einmal steirischer Werkzeugmacher, aber er hat kein Glück mit großen Momenten.