Aus Kindern werden Leute, und aus Kindergartenkindern werden über den Sommer Erstklässler. Unlängst feierte mein Enkel seinen Abschied. Als die Kleinen in Zweierreihen zu einem flotten Lied („Hallo, hallo, ich bin da“) in die Kirche einzogen, glich die Atmosphäre der einer Pressekonferenz des Bundeskanzlers. Kaum eine der anwesenden Mütter (Väter waren klar in der Unterzahl), die nicht ihr Handy zückte, um die Szene zu filmen. Ein beherzter älterer Herr hatte sich bereits im Altarraum der Pfarrkirche in Stellung gebracht. Ich konnte im weiteren Verlauf der Veranstaltung nicht erkennen, ob es sich um einen professionellen Fotografen oder einen überdurchschnittlich motivierten Großvater handelte.
Ich war gerührt, als ich unseren Daniel im Sesselkreis beobachtete. In der Mitte stand eine nagelneue Schultasche, und eine Kindergartenpädagogin, die aussah wie die Gewinnerin eines Modelwettbewerbs, rief ein Kind nach dem anderen auf, damit es aus einem liebevoll vorbereiteten Korb ein Schulutensil herausholte, benannte und in den Schulranzen legte. Daniel musste lange warten, bis er an die Reihe kam. Er saß still auf seinem Sesselchen und zeigte auf, als wäre er in der Schule. Als er endlich einen Radiergummi aus dem Korb fischte, musste ich an seinen Vater, unseren Erstgeborenen, denken, der gerührt neben mir saß. Seine Schultasche zu packen, hatte vor 30 Jahren weiß Gott nicht zu seinen Lieblingsgeschäften gehört.
Als altgedienten Lehrer faszinierte mich die Vielfalt der angehenden Schulkinder. Aufmerksame, zappelige, interessierte und gelangweilte saßen nebeneinander. Ein kleiner Nathanael weigerte sich überhaupt, seinen Beitrag zum Packen der Schultasche zu leisten. Plötzlich sprangen rund um uns alle Verwandten auf und hielten den Handyarm hoch in die Luft, um den Reigentanz um die gepackte Schultasche zu filmen. Ich bangte ein wenig um die in der Mitte stehende Kerze, aber die Kleinen hüpften, tanzten und sprangen routiniert um sie herum. Ein unvergessliches Fest. In zwei Jahren werden wir mit Lucia wieder da sein.
Gottfried Hofmann-Wellenhof