Die SPÖ taumelt sehendes Auges an den Rand des Abgrundes. Dass man in einer schweren Krise steckt, wird von niemanden mehr in der Partei geleugnet. Groß ist die Sorge über den Abwärtstrend, noch größer scheint die Ratlosigkeit zu sein, wie man gegensteuern könnte. Statt den Befreiungsschlag zu wagen, bunkert man sich lieber ein, folgte der Parteilogik und verharrt in Selbstfesselung.
Am Donnerstag machten Gerüchte über einen bevorstehenden Rückzug von SPÖ- Chefin Pamela Rendi-Wagner die Runde. Die niederösterreichischen und die oberösterreichischen Genossen forderten ihren Kopf. Die völlig verunglückte Vorgehensweise bei der Sanierung der Partei hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Um Rendi-Wagner mürbe zu machen, wurden Interna nach außen gespielt, wonach sie monatelang nicht die Parteisteuer gezahlt habe. Ähnliches widerfuhr übrigens Norbert Hofer, der sich dafür rechtfertigen musste, warum die Partei die Gartenmauer seiner Villa bezahlt hatte.
Dass Rendi-Wagner immer noch im Amt ist, liegt nicht daran, dass die Rebellen allein auf weiter Flur geblieben sind. Quer durch die SPÖ hat sich die Meinung festgesetzt, dass Rendi-Wagner über große Qualitäten verfügt, das Handwerk als Parteichefin nicht beherrscht. Aus Sicht derer, die in den nächsten Monaten Wahlen zu schlagen haben wie die Burgenländer, die Niederösterreicher, die Wiener, stellt die Parteichefin nicht mehr ein Zugpferd, sondern ein Risiko dar.
In Ermangelung eines Nachfolgers wurde Rendi-Wagner eine Verschnaufpause gegönnt. Peter Kaiser und Hans-Peter Doskozil sind lieber die Ersten in der Provinz als die Zweiten in Wien. Max Lercher hat sich in Wien einige Feinde geschaffen. Gerhard Zeiler würde gern, allerdings nur, wenn er auch Kanzler wird. Die Gewerkschaften verfügen über eine Personalreserve, aber nicht über den idealen Kandidaten.
Rendi-Wagner trägt nicht die alleinige Schuld an der Lage, einige Parteigranden, die sie auf den Schild gehoben haben, haben in den letzten Monaten ihre Demontage betrieben. Gerade der Blick über unsere Landesgrenzen erklärt vieles. In ganz Europa müssen sich die Sozialdemokraten fragen lassen, wofür sie abgesehen von Stehsätzen noch stehen, ob sie nicht den gesellschaftlichen Wandel verschlafen haben, wen sie nach der schrumpfenden Arbeiterschaft noch vertreten wollen, ob sich ihre Mission vielleicht nicht schon erfüllt hat.
Soll man nach rechts rücken, wie es die dänischen Genossen bei der Migration vorexerziert haben? Oder nach links, klare Kante zeigen, wie von der Linken und der Jugend gefordert – mit dem Risiko, die Mitte vor den Kopf zu stoßen? Oder bedarf es eines Wunderwuzzis à la Kurz? Fragen über Fragen, die man unter den Teppich gekehrt hat, solange die SPÖ als Kanzlerwahlverein erfolgreich war.
Rendi-Wagners Tage sind gezählt. Die Ablöse der SPÖ-Chefin wurde vertagt, ist aber kein Allheilmittel, das Wunder wirkt.