Glaubt man internen Umfragen, hat Boris Johnson bereits gewonnen. So viele der 160.000 Tory-Mitglieder scheinen bei der laufenden Briefwahl schon für ihn gestimmt zu haben, dass Rivale Jeremy Hunt keine Chance mehr hat. Selbst langjährige Kritiker Johnsons unter den Konservativen erweisen ihm plötzlich Reverenz, um sich noch schnell ein Plätzchen an seinem Kabinettstisch zu sichern.
Jene, die keine Unterwerfungsurkunde unterzeichnen wollen, weil sie von einer Johnson-Regierung Schlimmes befürchten, wissen, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Einen, der nur seine Pflicht tat im Corps der britischen Diplomaten, hat der Ex-Außenminister bereits auf spektakuläre Weise zu Fall gebracht. Sir Kim Darroch, Londons Botschafter in Washington, musste seinen Rücktritt einreichen, weil Johnson deutlich machte, dass er ihn nicht im Amt halten würde. Darroch hatte sich den Zorn des US-Präsidenten eingehandelt. Also opferte Johnson ihn. Dabei hatte der Botschafter sich nichts zuschulden kommen lassen. Aber mit Trump anlegen wollte sich Johnson auf keinen Fall. Die Geschichte spricht Bände. Courage, Loyalität, Unterstützung der eigenen Staatsbeamten bedeutet Johnson wenig. Statt sich dem eigenen Land – und dessen Diplomaten – verpflichtet zu fühlen, suchte Mays wahrscheinlicher Nachfolger lieber Trump zu Willen zu sein.
Denn ohne die USA läuft Post-Brexit nichts für London. Die Abkehr von Europa, die Johnson diesen Herbst um buchstäblich jeden Preis durchzwingen möchte, macht ihn abhängig vom Wohlwollen Trumps.
Nunmehr darf Trump auch britische Rücksichtnahme in anderen Fragen erwarten, wie etwa im Verhältnis zu China, zu Israel, zum Iran. Den bilateralen Handelsvertrag, auf den Johnson angewiesen ist, wird es nur geben, solange die Briten alle Bedingungen Trumps erfüllen – solange sie ihr staatliches Gesundheitswesen amerikanischem Kapital öffnen und chlorgetränkte Hühnchen aus den USA in britische Supermarktregale lassen.
Wie schnell das gehen kann mit der „Kurskorrektur“, demonstrieren die Spannungen im Persischen Golf an diesem Wochenende. Noch hoffen ja auch britische Diplomaten, an der Seite Deutschlands und Frankreichs den von Trump weggewischten Vertrag mit Teheran irgendwie zu retten.
Zugleich aber beginnen sich die Briten auf riskante Manöver an der Seite Washingtons einzulassen. Auf Geheiß der USA haben sie einen iranischen Öltanker vor Gibraltar beschlagnahmt, was nicht hätte geschehen müssen. Nun spitzt sich die Lage im Golf zu. Und schon verlangt Washington das Oberkommando auch über Royal-Navy-Schiffe dort.
Großbritannien, hat es ein Beobachter formuliert, drohe sich „zum Vasallen eines launischen, unbeeinflussbaren Staates“ zu machen. Auf der sinnbildlichen Brücke zwischen Europa und Amerika, die das Königreich einmal sein wollte, wird man Boris Johnson jedenfalls nicht stehen sehen.