Das Sommergespräch zwischen Kanzler Christian Kern und ORF-Interviewer Tarek Leitner war journalistisch eine ordentliche Angelegenheit. Leitner stellte kritische Fragen und setzte zu Beginn zusätzlich eine finstere Miene auf, um nur ja keine unlautere Nähe zu seinem früheren Urlaubspartner Kern zu insinuieren. Wer unbedingt ein Haar in der Suppe finden will, der kann zwar feststellen, dass der ORF-Interviewer im Verlauf des Abends bei Kern mehr Abschweifungen durchgehen ließ als bei den anderen Parteichefs. Aber selbst diese Varianz bewegte sich jederzeit klar innerhalb der vertretbaren Bandbreite.
Also Ende gut, alles gut? War womöglich die gezielt lancierte Erinnerung an den gemeinsamen Kern-Leitner-Urlaub und die aufgeschäumte Empörung darüber nur ein Sturm im Wasserglas, viel Lärm um nichts? Ganz so glatt sollte man über diese österreichische Affäre nicht bilanzieren. Denn das Format „Sommerinterviews im Staatsfernsehen“ lebt vom untadeligen Ruf der Integrität und Objektivität, und dieser Ruf wird sehr wohl auch durch formale Tatsachen bestimmt. Dass Leitner und Kern - wenn auch nur über das Bindeglied der gemeinsam unterrichteten Kinder - miteinander Ferientage verbrachten, ergibt eine klassische schiefe Optik. Und zwar auch dann, wenn Leitner einst nicht mit dem Kanzler Kern urlaubte, sondern nur mit einem ÖBB-Vorstand gleichen Namens.