Österreich habe schon bessere Tage erlebt, meinte Freitagnacht der Moderator im deutschen Fernsehen zu den Verwerfungen rund um die entgleiste Präsidentschaftswahl im Nachbarland. Das hatte gar nichts Spöttisches, die Worte verrieten eher nachsichtiges Mitleid. Es war schlimmer als Häme.

Jetzt, da der Schaden nach innen und außen angerichtet ist, kann es nur darum gehen, ihn zu begrenzen. Heißt: das Risiko einer neuerlichen Anfechtung zu minimieren und die Briefwahl durch eine Reform (zusätzlicher Wahltag, Auszählen in den Gemeinden, Aufhebung der unsinnigen Sperrklausel für Debütanten bei Wiederholungen) auf die Höhe der Zeit zu bringen. Daher ist es grundvernünftig, wenn der Innenminister, der auch schon bessere Tage erlebt hat, morgen die Verschiebung der Wahl bekannt gibt, um ohne Hast alle Wahlkarten durch klebsichere zu ersetzen und die Vertagung auf ein rechtlich tragfähiges, pfuschsicheres Fundament zu stellen. Ein logistisch und geografisch überschaubarer Wiener Stadtbezirk kann es sich leisten, ohne Netz am Termin festzuhalten. Das Land in seinem prekären Zustand nicht.

Die FPÖ sieht das anders. Sie schoss sich im Welser Bierzelt auf eine Verlegung der Wahl prophylaktisch ein. Sowohl Norbert Hofer als auch Parteichef Strache nutzten das Malheur mit den schadhaften Klebestreifen zum Aufbau einer absurden Komplott-Kulisse. Hinter der Havarie und der Verschiebung stünden wie schon bei den „eiskalten Regelbrüchen der rot-schwarzen Bezirksbeamten im Mai“ die „Systemparteien“ und ihr Versuch, einen Hofer-Sieg zu sabotieren.
Diese Verschwörungsmythen haben System. Sie gehören zum Repertoire der FPÖ. Sie dienen der Mobilisierung nach innen (Opfer!) und der Destabilisierung nach außen („wollen unser Österreich zurück“), indem das brüchige Zutrauen in die Funktionsfähigkeit des Staates und des demokratischen Räderwerks ins Wanken gebracht werden soll. Das hat etwas Zersetzendes, verstärkt durch die digitalen Echoräume, freilich auch durch das Bild der Zerrissenheit, das die selbstvergessene Regierung bietet. Schon wird gefragt, ob wir einen Präsidenten überhaupt brauchen und ob es nicht ohne diese Briefwähler gehe, die immer so komisch die Gunst verteilen. Wo alles aus dem Lot ist, geht das Abräumen leichter.

Die Verfassungsrichter haben mit der Aufhebung der Wahl zum pädagogisch brachialsten Mittel gegriffen, um nur ja keine Dolchstoßlegenden zuzulassen. Das war fromm gedacht. Der ausdrückliche Hinweis, es liege kein Hinweis auf manipulativen Betrug vor, hat nichts bewirkt. Jetzt geht’s erst los.