Der Zustand der Infrastruktur ist zumindest unbestritten: In den beiden Gasleitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2, die durch die Ostsee von Russland nach Deutschland führen, wurden nahe der Insel Bornholm insgesamt vier massive Lecks gefunden. Durch diese Röhren kann kein Gas mehr fließen. EU und Nato gehen dabei von Sabotageakten aus, die nicht zuletzt auch für die Umwelt in der Region massive Folgen haben könnten.
Für Johannes Peters, Experte für maritime Strategie und Sicherheit an der Universität Kiel, ist es jedenfalls nur "vordergründig widersinnig", dass Russland hinter einem mutmaßlichen Sabotageakt stecken könnte und seine eigene Gaspipeline demoliert, denn: Moskau könnte so ein "starkes Signal" an Europa senden, dass man dasselbe auch mit Pipelines machen könnte, die für die Versorgungssicherheit viel wichtiger seien, etwa jene aus Norwegen. "Seid euch nicht so sicher, dass ihr für den Winter gut aufgestellt seid und dass ihr in der Lage seid, unser Gas zu kompensieren", führt Peters Russlands mögliche Motivation aus.
Die Ermittlungen laufen, die USA halten sich mit Mutmaßungen über mögliche Hintermänner noch zurück. Insgesamt also nur Fragen und kaum Antworten – zumindest bis die Lecks in ein oder zwei Wochen in 70 bis 80 Metern Meerestiefe untersucht werden können.
Faktum ist: Der Kreml zückt unter dem so gar nicht blickdichten Tarnmäntelchen seiner "Spezialoperation" seit dem 24. Februar 2022 alle erdenklichen Karten – auch wenn viele davon nicht stachen. Krieg wird heute hybrid geführt.