Vielleicht hatte er die Nase voll. Zum Krieg in der Ukraine hat sich Michail Gorbatschow nur knapp geäußert. Die Welt solle aufpassen, in keinen Atomkrieg zu schlittern, sagte der 91-Jährige im Februar und schwieg sich ansonsten aus. Wie der Großteil des russischen Volkes. Klar ist: Das Russland, das er in seinen letzten Lebensmonaten vorfand, passte mit jedem Kriegstag weniger mit seinen politischen Visionen zusammen. Die friedlichen Jahrzehnte, die wir hier in Europa erleben durften, das Grundgefühl, dass wir nie mehr in einen Krieg schlittern würden, haben wir zu einem großen Teil Michail Gorbatschow und seinen Partnern in Berlin und Washington zu verdanken. Die „neue, friedliche Ära, in der Gewaltandrohung der Vergangenheit angehört“, verkündete Gorbatschow 1989 in Malta. Das klingt idealistisch, fast naiv und hat doch lange Zeit gut funktioniert. Für Europa entstand aus diesen Weichenstellungen ein Staatenbund, der auf diesen Werten beruht.
Gorbatschows Vermächtnis der Überwindung des Kalten Krieges wird in diesen Wochen von Wladimir Putin auf dem Schlachtfeld in Trümmer geschossen. Ausgerechnet zum Begräbnis des Versöhners werden kaum Staatsgäste aus dem Westen nach Moskau kommen. Der Luftraum in Russland ist gesperrt für „unfreundliche Staaten aus der EU“. Und auch der Kreml selbst zeigt wenig Neigung, Gorbatschow eine Feier zu widmen, wie er es verdient. Mit Verspätung fand Putin würdigende Worte. Das Staatsfernsehen verzichtete auf ein besonderes Programm.