Nun hat man sich doch noch geeinigt. Nach monatelangem Ringen kann die türkis-grüne Bundesregierung der EU-Kommission endlich einen Plan vorlegen, wie man die Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2023 bewerkstelligen will. Vieles, was auf den mehr als 300 Seiten festgeschrieben wurde, ist längst beschlossen. Heiße Eisen – Stichwort Dieselprivileg und Pendlerpauschale – werden nur sehr indirekt angegriffen. Eine Arbeitsgruppe soll sich mit der möglichen Abschaffung von klimaschädlichen Subventionen befassen, heißt es. Das könnte in Zukunft noch für hitzige Debatten sorgen, doch für den Klimaplan reicht diese Bekundung fürs Erste. Bleibt die Frage: Wozu dann eigentlich die Aufregung?
Sämtliche EU-Staaten außer Österreich hatten zumindest einen Entwurf für einen Klimaplan nach Brüssel geschickt, doch Türkis-Grün verwandelte diesen in einen zähen Kampf um Abgrenzung vom jeweiligen Partner. Das wirft kein gutes Licht auf die Koalition, immerhin hat man sich vor viereinhalb Jahren freiwillig zusammengeschlossen und das „Beste aus beiden Welten“ versprochen – dass sich die Grünen als Öko-Partei für Klimaschutzmaßnahmen einsetzen würden, sollte dabei kaum überraschen. Auch das ambitionierte EU-Klimaziel wurde bei seinem Beschluss von der ÖVP mitgetragen. Der damalige Parteichef Sebastian Kurz sprach Ende 2020 von einem „großen und wichtigen Schritt“. Und auch innerhalb von Österreich hat die Koalition im Klimabereich allerhand umgesetzt. Einige der Maßnahmen sind dabei durchaus populär, etwa das Klimaticket oder Förderprogramme von Photovoltaik-Anlagen.
Doch anstatt sich gemeinsame Erfolge an die türkisen Fahnen zu heften, scheint die Volkspartei zuletzt vor allem um Abgrenzung bemüht. Gewessler ist spätestens seit ihrem Alleingang beim EU-Renaturierungsgesetz zum Reibebaum Nummer eins für die ÖVP geworden. Diese zeigte sie wegen Amtsmissbrauchs an, erst vor wenigen Tagen bezeichnete ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl Gewessler als „Staatsgefährderin“. Gleichzeitig blieb die Ministerin im Amt, beim Klimaplan fanden die Koalitionspartner doch noch einmal zusammen. Bezeichnend ist allerdings, dass Gewessler das Dokument alleine präsentierte – dabei fallen viele Bereiche auch in die Zuständigkeit von Finanzminister Magnus Brunner.
Der Klimaplan ist ein Symptom dafür, wie schwer sich die Nehammer-ÖVP aktuell tut, eine klare Linie in Sachen Klimaschutz zu finden. Anstatt mit deftigen Aussagen in Richtung Koalitionspartner für Schlagzeilen zu sorgen, wäre der anlaufende Wahlkampf eine Möglichkeit für eine Positionierung als Wirtschaftspartei mit grünem Gewissen und konkreten inhaltlichen Ansagen. Ob mit dem Anti-Gewessler-Kurs viel zu gewinnen ist, ist dagegen fraglich. Denn wer Klimaschutzmaßnahmen grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, fühlt sich politisch wohl ohnehin bei der FPÖ besser aufgehoben.