Ausgerechnet Griechenland! Der Staat, der in der Schuldenkrise einst zum Sinnbild für schlechtes Wirtschaften wurde, führt jetzt die Sechs-Tage-Arbeitswoche ein. Nur auf Freiwilligen-Basis und gegen üppige Extralöhne. Trotzdem lässt der Schritt aufhorchen. Denn er steht diametral gegen die hierzulande vernehmbaren Wünsche nach mehr Freizeit und weniger Arbeitslast.
Müssen wir also am Ende sogar mehr arbeiten und nicht weniger? Das kommt darauf an, welche Maßstäbe man anlegt. Die Griechen verweisen auf den Fachkräftemangel. Der trifft auch uns, denn die geburtenstärksten Jahrgänge (rund um 1963) stehen an der Schwelle zur Pension und werden das Angebot an Arbeitskräften bald massiv reduzieren.
Helfen könnte geordnete Zuwanderung, nicht aber jener Chaos-Andrang, der zu viele Menschen mit stark erhöhten Nachschulungsbedarf ins Land spült. Die dadurch entstehenden Bildungsaufgaben vergrößern eher die Fachkräfte-Lücke. Noch dazu, wenn man es – wie bei uns – viel zu lange sträflich verabsäumt hat, möglichst alle Migranten rasch ins Erwerbsleben zu bringen.
Dass die wenigen Jungen oft auch weniger arbeiten möchten, bringt das System zusätzlich unter Druck. Und die Hoffnung auf den wundersamen Technologiesprung, der die Arbeit an intelligente Roboter auslagert, hat sich auch noch nicht erfüllt. Im Gegenteil: Die Wirtschaftsleistung je Arbeitsstunde ging zuletzt sogar zurück.
Das alles muss nicht zwingend dazu führen, dass am Ende eine kleine Gruppe von Dauer-Erwerbstätigen allein die Last der Teil- und Freizeitgesellschaft trägt. Das wäre sozial unverträglich. Nur muss man halt aktiv gegensteuern. Die Arbeitsproduktivität könnte zum Beispiel wachsen, wenn es endlich weniger Bürokratie gäbe.
Doch das Gegenteil ist der Fall: Im Monatsrhythmus kommen immer neue Auflagen, von Datenschutz und „Cybersecurity“ bis zu Nachhaltigkeitsberichten und Lieferkettengesetz. Es muss immer mehr entbehrlicher Etikettierungs- und Zertifizierungskram bewältigt werden, bevor man zur Herstellung verkäuflicher Leistungen kommt.
Auch in Sachen Motivation, Arbeitsumfeld und Job-Gesundheit gibt es Luft nach oben. Kulturell geht es um eine selbstbestimmte Arbeitswelt, in der alle den Sinn ihres Beitrags sehen und weitgehend selbst entscheiden dürfen, wie und wo sie ihren Pflichten nachkommen.
Dass man im Job Bestätigung und Selbstwirksamkeit erfährt, wäre das stärkste Wundermittel gegen die Arbeitskrise. Gewiss ist das nicht in allen Berufen erreichbar. Aber auch die niedrig hängenden Früchte werden oft verschmäht. Wir müssen das Bewusstsein hochhalten und weitertragen, dass uns nur die arbeitsteilige Gesellschaft, an der sich möglichst alle Erwerbsfähigen beteiligen, das gute Leben und Zusammenleben sichert. Weil sie die solidarische Grundlage des Hochleistungs- und Absicherungsstaates ist. Und weil wir glücklicher sind, wenn wir gerne arbeiten gehen.