Sie lernen ja nicht für die Schule, sondern für das Leben, bekommen Jugendliche immer wieder zu hören. Dank der Vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA) lernen sie tatsächlich allerhand Nützliches: Vertrauenswürdige Quellen zu suchen, Informationen zusammenzutragen, ihre Ergebnisse zu präsentieren und auch einige Zitierregeln, auch wenn diese an den Universitäten teils für Kopfschützeln sorgen.

Doch künftig wird wohl ein Teil der österreichischen Jugendlichen das Gymnasium ohne diese Erfahrungen verlassen. Die VWA, aktuell fixer Bestandteil der Matura, soll freiwillig werden. Das Bildungsministerium argumentiert mit den Fortschritten bei der Künstlichen Intelligenz (KI), die es künftig schwierig machen könnten, die Leistung der Jugendlichen von der des Computers abzugrenzen.

KI wird künftig wohl auch Veränderungen im Bildungswesen notwendig machen. Doch die Teil-Abschaffung der VWA ist eine frühzeitige Kapitulation vor intelligenten Maschinen. Stattdessen wäre es an der Zeit, zu überlegen, wie Chat GPT und Co sinnvoll bei der VWA zum Einsatz kommen können. Maturantinnen und Maturanten müssen lernen, wo sie auf KI als Stütze zurückgreifen können und welche Informationen dann doch nicht unhinterfragt übernommen werden dürfen. Freilich, für die Betreuerinnen und Betreuer ist es eine Herausforderung, zu beurteilen, welche Rolle die KI beim abgegebenen Endprodukt gespielt hat. Doch was spricht dagegen, wenn Jugendliche gute, inhaltlich richtige Arbeiten vorlegen, die mit jenen Hilfsmitteln entstanden sind, die ihnen auch später im „echten Leben“ außerhalb von Schule und Uni zur Verfügung stehen werden? Spätestens bei der VWA-Präsentation sollte zudem sichtbar werden, ob sich ein Schüler tatsächlich tiefergehend mit seiner Arbeit beschäftigt hat.

Das bloße Abrufen und Wiedergeben von Informationen kann die KI wohl schon jetzt besser als der Mensch. Das Bildungssystem müsste seinen Fokus deshalb stärker darauf lenken, Kindern und Jugendlichen jenes Wissen zu vermitteln, von dem ausgehend sie sich – auch mittels KI-Informationen – eigene Überlegungen und ein tieferes Verständnis für unterschiedliche Themen aufbauen können. Genau das könnte eine möglicherweise reformierte Vorwissenschaftliche Arbeit weit besser leisten als jede Multiple-Choice-Aufgabe bei der Zentralmatura.

Klar ist: Nicht jede gesellschaftliche Herausforderung kann von der Schule abgefangen werden. Doch gerade ein vernünftiger Umgang mit Künstlicher Intelligenz dürfte in den kommenden Jahrzehnten zu einer ebenso zentralen Kompetenz werden wie Lesen und Rechnen. Anstatt vor dem technischen Fortschritt in die Knie zu gehen, müssen Jugendliche Werkzeuge in die Hand bekommen, um den größtmöglichen Nutzen aus neuen Entwicklungen zu ziehen. Denn auch in ihrem weiteren Leben, auf das die Schule ja vorbereiten soll, werden heutige Schüler künstlicher Intelligenz nicht aus dem Weg gehen können.