Am 19. November ist "Internationaler Männertag". Wie viele andere Tage droht auch dieser unter einer Inflation von "Welt-" und "Internationalen" Tagen unterzugehen. Vielleicht ist er davon besonders betroffen, weil es doch beim herrschenden Geschlecht nicht viel zu gedenken gibt? Der Männertag ist vor allem der Gesundheit von Jungen und Männern gewidmet, auch den Problemen und Nachteilen, ein Mann zu sein, und der Sorge um geeignete Vorbilder für männliche Heranwachsende. Wenn wir an Beispiele höchst fragwürdiger, ja als Psychopathen erscheinender Männer an den Schalthebeln der Weltmacht denken, dann ist diese Frage mehr als berechtigt.
Bei der Gesundheit ist es eindeutig: Männer achten zu wenig darauf, gehen zu spät zum Arzt, leben ungesünder, sterben auch früher. Selbst schuld, könnte man sagen. Sorge um sich und andere passt offenbar nicht zum noch herrschenden Männerbild. Aber werden Männer denn so geboren? Was macht sie denn so?
Das betrifft auch die Nachteile im Bildungsbereich, die erstaunlich wenig Aufsehen erregen: weniger männliche Uni–Absolventen oder ein Matura-Gap von rund 15 Prozent im Vergleich zu Mädchen. Auch hier gilt: Lernen, Disziplin, Anstrengung sind bei vielen Burschen im Vergleich zu Mädchen "uncool". Aber warum?
Die Vorbilder: Welche stehen zur Verfügung und wollen wir die? Je mehr Distanz zu den Vätern (leider mehrheitlich immer noch!), desto anziehender mediale oder Sport-Helden, auf die viele Buben abfahren. Vorbildhafte Regierende, die rücksichtsvoll und barmherzig sind, Leidenden zugewandt und spürbar um Gerechtigkeit ringend? Fehlanzeige: Härte, Phrasenhaftigkeit und Kälte gegenüber Flüchtenden und Schwächeren sind schon eher die Kennzeichen vieler Vorne-dran-Männer.
Der Männertag sollte dementsprechend eine Kritik an den Verhältnissen sein, die Männer zu dem machen, wie sie oft sind; und auch ein Aufruf gegen Verurteilungsbereitschaft und für mehr Verständnis als Voraussetzung zur Veränderung.
Josef Christian Aigner ist Psychologe, Pädagoge und Psychotherapeut und war Univ. Prof. in Innsbruck.
Josef Christian Aigner