Als Ministerin Gewessler am Montagvormittag der Vorwoche gegen den Willen der ÖVP dem Renaturierungsgesetz der EU zustimmte, erklärte Ministerin Edtstadler wenig später im Mittagsjournal, hier gehe es um etwas Wichtigeres als Renaturierung, hier gehe es um die österreichische Bundesverfassung. Das ist ein starkes Argument, weil es grundsätzlich ist.

Edtstadler bezeichnete darüber hinaus Gewesslers Verhalten als „Ideologie“. Das wirft Fragen auf: Ist Naturschutz in den Augen der ÖVP Ideologie? Wiederherstellung von Natur offenbar schon. Edtstadlers Argument, da könnte ja jedes Regierungsmitglied mit was immer daherkommen, wenn ihm die Regierungsmehrheit nicht passt, ist zu bedenken. Andererseits erhebt sich die Frage, ob das Klima heute noch mit jeder anderen X-beliebigen Materie zu vergleichen ist. Klimawissenschaftler sehen das anders als die ÖVP.

Seit Bundeskanzler Dollfuß 1933/34 die Demokratie zerstört hat, um eine katholische Diktatur zu errichten, sind wir in Österreich zurecht in Verfassungsfragen besonders heikel. Dass eine Mehrheit im Land für dieses Renaturierungsgesetz ist, ist unerheblich, wenn die Regierung dagegen ist. Und wie die ÖVP Klimafragen – und dazu gehört die Renaturierung – beurteilt, das ist ihre Verantwortung. Aber wenn eine Regierungskollegin beschuldigt wird, sie wolle „den Rechtsstaat unterwandern“ und „furchterregend“ sei sie außerdem, dann dürfen wir staunen.

Und wenn Ministerin Edtstadler einen Beschluss, der von einer Zweidrittelmehrheit der EU-Staaten gefasst wird, im ORF als „weiteres Diktat aus Brüssel“ bezeichnet, dann fragt sich: ÖVP oder FPÖ? Und Klimafragen sind schon längst nicht mehr Ideologie. Das sollte die ÖVP einsehen.

Der Europäische Gerichtshof wird entscheiden, wer Recht hat.

Peter Huemer lebt als Publizist in Wien.