Ist die Renaturierungsverordnung der EU, der Umweltministerin Eleonore Gewessler mit ihrem Ja zum Durchbruch verhalf, ein unmittelbar wirksames Gesetz oder bloß eine unverbindliche Absichtserklärung?

Da scheiden sich die Geister. Auf dem langwierigen Prozess der Willensbildung in den Gremien der EU wurden der Verordnung die Zähne gezogen. Zwar wurde an den Zielen, bis wann die etappenweise Rückkehr zur Natur erreicht werden soll, nichts geändert, doch sollen die einzelnen Staaten in Eigenverantwortung die Wege festlegen. Zwei Jahre haben sie Zeit, um Brüssel ihre Programme vorzulegen.

Was dann geschieht, ist unklar. Wird etwa der erste Zielwert von 20 Prozent Renaturierung bis 2030 verfehlt, müsste die EU-Kommission eingreifen und Strafen verhängen. Doch wie ist das mit der versprochenen Freiwilligkeit vereinbar? Was ist das überhaupt für ein Gesetz, das keine Sanktionen kennt?

Die Doppelbödigkeit ist offenbar gewollt. So bezifferte die EU-Kommission die Kosten des Projekts mit 154 Milliarden Euro bis 2070 für alle 27 Mitgliedsländer. Dem stünde allerdings ein Nutzen von 1.860 Milliarden gegenüber, zwölfmal mehr. Toll, was die Klimaforscher in Brüssel alles berechnen können.

An diese Propaganda-Zahlen wird kaum jemand glauben. Für die nächsten Jahre stellen sich drängendere Fragen: Wie werden die nationalen Renaturierungspläne erstellt? Wer schafft an? Und wer bezahlt das alles - die Bauern, der Staat oder die EU?

Ein Beispiel: Um den Bächen und Flüssen wieder Raum zu geben, müssen in der soeben vom Hochwasser heimgesuchten Oststeiermark Flächen für Überflutungen reserviert werden. Die Landbesitzer dürfen dort nicht mehr Ackerbau betreiben. Werden sie entschädigt? Wenn sie nicht freiwillig mitmachen, bedeutet das eine faktische Enteignung.

Hehre Ziele sind bald formuliert, vor allem, wenn sie in ferner Zukunft erreicht werden sollen. Die zeitnahe Umsetzung ist mühsam. Die EU wird bei ihrem Green Deal weitere Abstriche machen müssen.

Erwin Zankel war Chefredakteur der Kleinen Zeitung.