Als „anonymes Gefurze“ hat Vizekanzler Kogler Aussagen von Menschen bezeichnet, die durch mutmaßlich falsche Behauptungen seiner blutjungen Spitzenkandidatin Lena Schilling massivst existenziell gefährdet worden sein sollen. Abgesehen von der inakzeptablen brachialen Wortwahl, zeigt hier der Chef der Grünen, dass man in eigener Sache nicht zimperlich und bereit ist, mögliche Opfer zu diskreditieren und diffamieren. Opfer, die alles andere als anonym sind, da eidesstattliche Erklärungen sowie ein von Schilling vor Gericht unterzeichnetes Verbot vorliegt, Ungeheuerlichkeiten über ein Ehepaar weiter zu verbreiten.

Spätestens mit der Spitzenkandidatur ist Schilling eine Person der Zeitgeschichte (public figure), womit auch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit steigt. Selbstredend bleibt das Privat- und Familienleben geschützt. Werden aber Dritte übelst be-und verleumdet und diese so einer potentiellen strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt, wird der geschützte Bereich verlassen. Einem Journalisten eine sexuelle Belästigung anzudichten wiegt weit schwerer als eine Tätlichkeit in den Morgenstunden einer Disko, die den sofortigen Rücktritt des Grünen-Abgeordneten zur Folge hatte. Gegenteiliges zu behaupten ist eine intellektuelle Beleidigung. Wer mit Herz für Politik wirbt, selbst aber eiskalt, gewissen- und ja- herzlos handelt, darf, kann und muss hinterfragt werden, scheinen doch schwere Persönlichkeitsdefizite vorzuliegen, die einer Führungsposition völlig abträglich sind. Schilling kann, wenn überhaupt, ihre Politkarriere nur dann retten, wenn sie die Umstände erklärt, wie es zu den so gravierenden Vorwürfen von ihr und gegen sie gekommen ist. Schweigen und aussitzen und die Affäre als private Angelegenheit abzutun ist ausgeschlossen, steht dann doch die gesamte Bewegung der Grünen auf dem Spiel.

Michael Dohr stammt aus Villach und ist Rechtsanwalt in Wiener Neustadt.