Während das politische Österreich nach innen gekehrt im Erregungsmodus, seinem bevorzugten Aggregatzustand, verharrt, vollzieht sich auf europäischer Ebene einer der erstaunlichsten Paradigmenwechsel der jüngeren Vergangenheit: Getrieben vom Erstarken rechtsnationaler Bewegungen, Bildern massenhaft Gestrandeter und anschwellenden Asylzahlen hat sich die EU zu einer migrationspolitischen Kehrtwende durchgerungen. Sie hat Züge einer Zeitenwende. Rasche Verfahren an den Außengrenzen für all jene, die keine Chance auf Schutzstatus haben, dieser Kern der Asyl-Reform wäre noch vor Kurzem unter akutem Populismusverdacht gestanden. Auch wenn das Paket noch nicht beschlossen ist und der Praxis- und Anstandstest an den Außengrenzen erst erbracht werden muss, so markiert der grundsätzliche Konsens dennoch den Abschied von der Mentalität der laxen Ohnmacht. Selbst bei den deutschen Grünen ist die Vielfaltsideologie einer Pragmatik gewichen, nicht unähnlich dem Schwenk in der Pazifismus-Frage. Von „Belastungsgrenzen“ spricht Bundespräsident Steinmeier, ein Sozialdemokrat. Das „Herz ist weit, unsere Möglichkeiten sind endlich“, sekundiert der Vorgänger Joachim Gauck. So klingt die neue deutsche Ausnüchterung.