Ein französischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, fragen Sie mich eine Nacht nach dem erinnerungsbetäubenden Match gegen Moldau bitte nicht, wer, hat einmal eine Typologie des „echten Diplomaten“ entworfen, die geht so. Ein echter Diplomat müsse sein:

Kalt wie Eis.
Hart wie Stein.
Beweglich wie ein Wetterhahn.
Neugierig wie ein Zeitungsschreiber.
Stumm wie ein Fisch.
Listig wie ein Fuchs.
Misstrauisch wie ein Geizhals.
Herzlos wie ein alter Gefängniswärter.
Glatt wie ein Aal.
Und klug wie eine Schlange.

Der Morgenpostler kennt Martin Selmayr, den Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, vom Zustellen her recht gut. Der Diplomat mit der scharfen, flinken Zunge ist Fuchs und Schlange. Das mit dem stummen Fisch geht sich in diesem Leben nicht mehr aus. Dazu war Selmayr als Brüsseler Kabinettschef zu lange Juncker-Schüler. Der hat ihm das Eis, den Stein, den Geizhals, den Gefängniswärter und vor allem den Aal ausgetrieben. Er hat sich angewöhnt menschenfreundlich zu sagen, was ist.

Bei einer Veranstaltung in Wien erinnerte er das Publikum an den Umstand, dass Österreich mehr als die Hälfte seines Gasimportes noch immer aus Russland beziehe. Es sei „Blutgeld“, das Österreich jeden Tag mit der Rechnung nach Moskau schicke. Es finanziere den Krieg mit.

Das mag im Tonfall ausgesprochen undiplomatisch gewesen sein, aber es war eine boulevardeske Version der Wahrheit. Umso eigenartiger ist, dass der EU-Diplomat, der erst vor kurzem mit dem Zwanziger in der Hand im ZiB-Studio den Unsinn mit dem Bargeld und der Verfassung entblößt hatte, von der Kommission in Brüssel wie vom offiziellen Österreich gescholten wurde. Das Außenministerium zitierte den Unbotmäßigen - ein Bürgerlicher im guten Sinn - sogar zu sich. Das hat das Land, nur zu Einordnung der völlig überdrehten Reaktion, zuletzt bei Botschaftern der Türkei, des Irans und Syriens gemacht. Eine theatralische Inszenierung für die Galerie, wie so vieles im Land. Der Morgenpostler kann sich die groteske Einbestellung im Ministerium szenisch nur so vorstellen:

„Hearst Seli, was ist dir do eingfolln? - Sauvignon oder Muskateller?“

Man hätte den Botschafter des Klartextes beim Achterl höchstens darauf aufmerksam machen können, dass auch die EU in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um vierzig Prozent mehr verflüssigtes Erdgas über die Bande aus Russland eingeführt hat im Vergleich zu früher, vor dem Überfall. Fünf Milliarden Euro waren das allein heuer, schätzt die Organisation Global Witness. Damit ist Russland nach Amerika der größte Lieferant. Auch ganz schön viel Blutgeld.

Herzlos wie ein alter Gefängniswärter fühlte sich gestern Abend das Dargebotene der Nationalmannschaft gegen Moldau an. Man sollte sich vor großen Spielen halt keine kleinen anschauen, es sind immer Beiträge zur Depressionslehre, der Autor hätte es wissen müssen.

Was er auch erst gestern aus der Konferenz erfuhr: Dass heute vor einem Jahr die Queen verstarb. Thomas Golser bilanziert das erste Jahr des Thronfolgers. Kinder, wie die Zeit vergeht, hätte der vor kurzem verstorbene Vater geseufzt. Im Newsroom hängt eingerahmt die Titelseite von damals. Die Queen, die mit distanzierter, souveräner Freundlichkeit aus der Kutsche blickt, stumm wie ein Fisch und klug wie eine Schlange. Der dazugehörende Aufmacher klingt ein wenig nach Horvaths Jugend ohne Gott: „Welt ohne Königin“. In der Wirklichkeit gab es viele, in der Wahrnehmung nur die eine. Die Titelseite, ein last minute-Werk Minuten vor dem Andruck, wurde beim Internationalen Newspaper-Kongress mit einem Sonderpreis bedacht.

Ich dachte mir, ich leg das Cover heute, zur Erinnerung und Feier des Tages, noch einmal zur Post dazu. Dienstag auf Mittwoch planen wir unverdrossen mit dem Nationalteam auf Seite eins. Wir glauben an das Gute und Große. Wir wissen. Das gestern in Linz war wie die Einbestellung Selmayrs: für nix.