„Spieglein, Spieglein, an der Wand – wer ist der Stärkste im ganzen Land?“ Grimms Märchen erleben im Silicon Valley gerade eine Neuauflage, denn der akribische Datensammler und sein größter Kontrahent, der visionäre Autobauer, wollen angeblich ein für alle Mal klären, wer die Webwelt auch im körperlichen Sinn beherrscht. „Mark Zuckerberg vs. Elon Musk“ nennt sich das Epos, in dem es um Eifersucht, Macht, Geld und Deutungshoheit geht und das bald in einem Boxkampf gipfeln soll. Schon seit Wochen munitionieren sich die Duellanten via Twitter auf, diskutieren einmal einen Käfig in Las Vegas, dann wieder das römische Kolosseum als Austragungsort des Scharmützels und verabsäumen wohlweislich nicht, furchteinflößende Bilder ihres Trainings anzufügen. So kann das gemeine Volk Zuckerbergs Brusthaar bewundern und dessen preisgekrönten Einsatz in der Kampftechnik Jiu Jitsu, während Marseroberer Musk großmäulig tönt, eine Taktik namens „das Walross“ für sich adaptiert zu haben. Sein ausgeklügelter Plan: „Ich liege auf meinem Gegner und mache einfach nichts.”

Doch wie konnte es so weit kommen, dass just jene beiden Männer, die in Vermögen samt Einfluss alle Ranglisten anführen, lieber die Fäuste als ihre Vernunft sprechen lassen? Um der wechselseitigen Animosität auf den Grund zu gehen, muss man bis 2016 zurückblicken. Im September dieses Jahres war eine Musk-Rakete explodiert, an Bord hatte sie unter anderem einen Satelliten geladen, mit dem Zuckerberg die Breitbandkapazitäten in Afrika verbessern wollte. Das darauffolgende Posting des Facebook-Chefs, in dem der seine Enttäuschung über die geplatzte Mission zum Ausdruck brachte, schien Weltraumphantast Musk als Fehdehandschuh zu verstehen – jedenfalls brach er seitdem in regelmäßigen Abständen Sticheleien vom Zaun. Als besonders uncharmant wird Zuckerberg vor allem ein Tweet zum Sturm des Kapitols in Erinnerung bleiben, in dem Musk das politische Chaos anprangerte, das Facebook mit seinem „Dominoeffekt“ verursacht habe. Immer wieder setzte der gebürtige Südafrikaner seither zur Attacke an und unterstellte dem Community-Builder neben mangelnden KI-Kenntnissen auch die Behinderung von Journalismus oder Meinungsfreiheit.

Mit Poltern und Getöse stieg Elon Musk schließlich bei der Konkurrenzplattform Twitter ein. Seit Ende letzten Jahres Herr über das Medium, reduzierte er die Belegschaft um fast 80%, verärgerte die rund 370 Millionen Nutzerinnen und Nutzer mit einer eingeschränkten Sichtbarkeit ihrer Meldungen und vertrieb zuletzt noch ungewollt, aber erfolgreich, die verunsicherten Werbekunden. Den wankenden Kommunikationsgiganten aufzufangen, kommt nun einer Herkulesaufgabe gleich, zumal ausgerechnet Langzeitrivale Zuckerberg zum Gegenschlag ansetzte: Mit „Threads“ launchte der Meta-Chef eine freche Twitter-Kopie, die wegen schneller Datentransfers im Konzernuniversum innerhalb von nur vier Tagen 100 Millionen Neukunden für sich gewinnen konnte. Eine Milliarde Nutzer sollen es am Ende werden - Europa lässt man einstweilen aber außen vor, denn im Pflichtfach Datensicherheit sind im Zuckerberg-Imperium noch zu viele Hausaufgaben unerledigt.