Der ORF, einst als kulturelle Zierde der Republik er- und geachtet, scheint manchen längst als Landplage zu gelten. Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man das Gezänk betrachtet, das gestern reflexartig einsetzte, als sich die Nachricht von der kommenden Haushaltsabgabe herumzusprechen begann. Die FPÖ preschte gleich einmal vor und attackierte den Sender zum Gaudium der Netzwelt als "misswirtschaftenden Moloch", der die Leute "mit einseitig gefärbter Berichterstattung, Endloswerbung und Wiederholungen in Dauerschleife behelligt". Zeitgleich steckte jede Lobbygruppe hastig ihre Claims ab: Jugendvertreter bejammerten die "Mehrbelastung junger Menschen", Sportverbände forderten den Erhalt von ORF Sport+ und so weiter. Österreich zählt neun Millionen Intendanten, jeder weiß ganz genau, wie der Sender zu arbeiten hat.
In der klaffenden Schere zwischen ausufernden Ansprüchen und böswilligem Generalverdacht werden sich die Kollegen vom Küniglberg wohl dauerhaft einrichten müssen. Den Eindruck, dass sie zu lange in trügerischer Monopol-Sicherheit verharrten, während anderen Medien längst der kalte "Wind of Change" ins Gesicht blies, muss man ihnen wohl als Stein in den Rucksack legen. Der ORF-Journalismus wirkt mitunter selbstreferenziell und selbstgefällig. Man denke nur an die vom Publikum nicht gewünschte Zwangsbelieferung mit Gendersprache. Aber mindestens ebenso oft geht es nicht um legitime Qualitätserwartung, sondern um den fast einfältigen Wunsch, der Sender möge gefälligst als ausschließlicher Spediteur des eigenen Weltbildes zu Diensten sein. Nicht zuletzt ÖVP-Medienministerin Susanne Raab muss sich selbstkritisch befragen: Bringt ihre Reform objektive Fortschritte oder wieder nur parteipolitisches Zaumzeug?
Dem mit schwindender Relevanz kämpfenden ORF kann man nur raten, einen weniger wehleidigen und mehr sportlich-kompetitiven Zugang zur Reformdebatte zu finden. Seine wichtige kulturelle und demokratiepolitische Funktion ist unbestritten. Aber diese Funktion haben viele andere Medien auch. Daher sollte eine Haushaltsabgabe, die alle zahlen, nicht einseitig an diesen einen Sender gehen, sondern als Medienförderung an alle Redaktionen verteilt werden, die definierte Informationsleistungen für die Gesellschaft erbringen. Die Formel muss lauten: Wir brauchen den ORF unbedingt als Teil der funktionierenden Medienvielfalt. Aber als privilegierte und zugleich gegängelte Bühne der Eitelkeiten brauchen wir ihn nicht.
Das, liebe Leser, können Sie mir jetzt als Pro-domo-Standpunkt zugunsten der Kleinen Zeitung auslegen. Mit diesem Verdacht muss ich leben. Aber glauben Sie mir bitte: Er ist unbegründet, denn ich vertrete diese Meinung als Zuseher, Zeitungsleser und Bürger. Und ich verweise auf die weiterführenden Gedanken im Leitartikel von Michael Jungwirth.
Beschauliches Wochenende wünscht