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Es ist das gestern publizierte, 266 Seiten starke Risikobild des Verteidigungsministeriums. Eine bemerkenswert feine Arbeit zu einem unfeinen Thema, einschließlich eines würdigen Philosophie-Überbaus von keinem Geringeren als Peter Sloterdijk, der über "Krieg jenseits von Clausewitz" in der Ukraine nachdenkt. Kostproben: Wladimir P. lasse "Fehlurteile streuen bis zum Realitätsverlust", wobei die "Zerrüttung des Realitätssinns die erste Stufe der Unterwerfung" sei. Da fallen einem manche Zeitgenossen ein. Das digitale Feld sei heute "Schauplatz im Kriegstheater". Überhaupt könne man den Ort des Krieges kaum mehr feststellen, auch Rohstoffe seien Waffen. Der Philosoph arbeitet eine "artilleristische Konstante" seit den ersten Menschheitstagen heraus: Der Wurf als die Fähigkeit, aus der Ferne zu schaden. Tröstlich, dass er wenigstens die Militärs als "Agenturen der Kriegsvermeidung" adressiert. Hoffentlich hat er in Spurenelementen recht.
Und Österreich? Schwierig. Wenn Schweden und Finnland bald zur Nato kommen, leben künftig 97 Prozent des EU-Volkes im atlantischen Bündnis. "Nur-EU-Staaten" gibt es dann noch vier: die drei Inseln Irland, Malta und Zypern sowie als einzigen zentralen Festlandstaat Österreich. Da tröstet es kaum, dass wir "Insel der Seligen außer Dienst" sind. Das Problem ist, dass wir allein kaum was bewirken, aber uns an die Nato nur eingeschränkt binden können. Ich pflichte im aktuellen Schlachtenlärm trotzdem (und trotz beträchtlichen Gegenwinds in unserer Redaktion) dem alten, neuen Staatsoberhaupt bei, die Neutralität zu behalten. Soll das eine ernsthafte Option sein, muss freilich eine radikale Neudefinition her: Neutralität nicht als Trittbrettfahrt, sondern als Basis für seriöse Verteidigungskooperation mit den Nachbarn.
Durchs ganze Risikobild ziehen sich auch Klimawandel und Lieferkettenprobleme als roter Faden. Und die Renaissance der "Umfassenden Landesverteidigung" – mehr dazu im heutigen Leitartikel von Wilfried Rombold. Vielleicht läuft's darauf hinaus, dass die jahrzehntelang gewachsene Vormacht der Ökonomie (Bill Clinton 1992: "It’s the economy, stupid!") ein wenig schrumpft zugunsten der guten alten Geopolitik. Aber was weiß ich schon? Ich war nie beim Heer. Als Zivildiener kann ich Ihnen gern was über Hauskrankenpflege erzählen, glauben Sie mir, Dekubitus ist auch nicht angenehm. Dazu mussten wir damals noch eine "Gewissensprüfung" ablegen. Mein Ruhekissen ist also ein staatlich geprüftes, gutes Gewissen – wer kann das heute noch behaupten?
Geostrategische und persönliche Entspannung wünscht