Unterwegs nach Romzum Begräbnis von Papst Benedikt XVI. Am Zugfenster fliegen die Orte vorüber. Es ist, als würde sich ein Kreis schließen. Am regenverhangenen 19. April 2005 war ich mit Zehntausenden am Petersplatz gestanden und hatte den Jubel miterlebt, mit dem der deutsche Pontifex von der Stadt und der Welt begrüßt worden war.
Acht Jahre später blickte ich dann am letzten Februartag des Jahres 2013 im milden römischen Abendlicht dem Helikopter nach, der Benedikt nach seinem Amtsverzicht aus dem Vatikan wegbrachte. Und morgen werde ich dabei sein, wenn er von seinem Nachfolger, Papst Franziskus, in Rom mit Lichtern und Litaneien zu Grabe getragen wird.
Wie viele andere halte ich sein Pontifikat – von wenigen hellen Momenten abgesehen – für glücklos. Joseph Ratzinger scheiterte auf dem Papstthron, weil er, wie unser früherer Vizechefredakteur und langjähriger Romkorrespondent, Thomas Götz, in seinem Nachruf schrieb, der politischen und der integrativen Dimension des Petrusamtes in weiten Teilen nicht gerecht zu werden vermochte und der hochgelehrte Theologe und zugleich fromme Landpfarrer blieb, der er Zeit seines Lebens gewesen war.
Dieses Scheitern verstellt freilich den Blick auf das aufregend Andere an diesem Papst, sein leidenschaftliches Eintreten für die Verschränkung von Glauben und Vernunft, die er in einer sich beschleunigenden Moderne für unverzichtbar hielt. „Im Christentum ist Aufklärung Religion geworden“, schrieb er einmal – ein für die modernen Verächter des Glaubens unerhörter Satz.
Einer aller metaphysischen Bezüge entkleideten, praktischen Zweckrationalität misstraute er, ja er hielt den Umstand, die Vernunft auf das Berechenbare reduziert zu haben, und den damit einhergehenden Verlust der Einsicht in die Vernunft des Moralischen für den Kern der tiefen Kulturkrise unserer Zeit.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber selbst wenn man Benedikts von Skepsis auf die Gegenwart getragenen Blick nicht teilt, so ist die Frage, wie wir uns in einer in Unordnung geratenen, von neuen Kriegen, Konflikten und Verteilungskämpfen gezeichneten Welt ein moralisches Fundament bewahren können, so aktuell wie schon lange nicht.
Und ich frage mich, was sein wird, wenn in unseren säkularen westlichen Gesellschaften der Konsens darüber, was gut und was böse ist, brüchig wird. Dass der Mensch von sich aus diesen Unterschied kennt, wie noch die großen Aufklärungsphilosophen dachten, daran habe ich nach den bitteren Erfahrungen des 20. Jahrhunderts so meine Zweifel …
Es grüßt Sie auf dem Weg in den Süden
herzlich Ihr