ORF-Chef Roland Weißmann schlug gestern Alarm: Der öffentlich-rechtliche Sender stehe "vor einer der größten Finanzierungskrisen" seiner Geschichte. Mag sein. Die genannten Gründe (Inflation, Energiekosten, schrumpfende Einnahmen) sind nachvollziehbar. Zweifellos ist es ungerecht, dass immer mehr Menschen via Streaming fernsehen und dafür keine GIS-Gebühr zahlen. Der Verfassungsgerichtshof hat zu Recht entschieden, dass diese "Streaminglücke" geschlossen werden muss. Aber das ist nicht des Pudels Kern. Weißmann verschwieg die andere, wesentlichere Seite der Medaille: Die staatliche Medienfirma steckt vor allem inhaltlich in der Krise.
Das ORF-Programm ist für Teile des Publikums – man muss es sagen – nur bedingt relevant. Im Land verbreitet sich das Gefühl, bei jedem halbwegs diesseitigen Privatsender nicht nur billiger, sondern womöglich besser, ausgewogener und auch unterhaltsamer informiert zu werden. Zu Recht? Das soll jeder selbst beurteilen. Es gibt im ORF viele wunderbar funkelnde Perlen im Sende-Sand. Dann aber versendet man wieder ein gerütteltes Maß an Selbstbezogenheit und leistet sich offene Flanken: schlampige Sprache, penetrante Eigenwerbung, Wiederholungs- und Archivmaterial-Festspiele, Vermarktungsschleifen für Hausfreunde und eigenes Personal. Dazu journalistisch eine oft überraschungsfreie Monokultur. Die GIS-Gebühr ist inzwischen schon so delegitimiert, dass etwa die FPÖ mühelos dagegen zu Felde ziehen kann (und damit offenbar punktet, wie ihre Umfragewerte zeigen).
Die strukturellen Schwierigkeiten, die die ganze Medienbranche belasten, sollen nicht verkannt werden. Doch wenn dem ORF die Kunden weglaufen, dann darf er nicht einfach von der Politik mehr Geld fordern, sondern muss erkennbar selbstkritisch um ein besseres Angebot ringen. Das hat mit dem parteipolitisch einbetonierten Stiftungsrat wenig zu tun. Eine Haushaltsabgabe oder eine Finanzierung aus dem Bundesbudget sind vielleicht zeitgemäße Ansätze, doch muss man fragen, ob davon nur der ORF profitieren soll. Die öffentlichen Aufgaben, auf die man sich gerne beruft, werden auch von anderen Medien erfüllt. Der ORF muss im Qualitätswettbewerb bestehen, er muss dem Publikum täglich beweisen, dass er nützlich und wertvoll ist. Nur dann kann man ihn – in den Grenzen der gebotenen Sparsamkeit – öffentlich finanzieren.
Beschauliches Schauen ohne Schaudern wünscht