Es gab Zeiten, da versuchte Wladimir Putin, sein Volk damit zu beeindrucken, dass er vor laufenden Kameras eine vermeintlich antike Vase auf dem Meeresgrund „entdeckte“. Heute sind die Bilder, die Putin verursacht, malträtierte Körper von Gefolterten, tote Kinder, Raketenangriffe auf Einkaufszentren, Wasser- und Heizkraftwerke.
Putin hat sich in eine blutige Obsession verrannt. Eine Obsession, die darauf beruht, der Kreml habe das Recht, alles Ukrainische auszulöschen, wenn es sich nicht unterwirft. Sie erfüllt sich nicht. Vor aller Augen wird die Armee Putins entzaubert. Schon jetzt hat das Folgen an den südlichen Rändern Russlands, wo alte Konflikte aufbrechen.
Falsch eingeschätzt hat Putin auch die Europäer. Nein, sie lassen sich nicht erpressen. Sie haben sich nicht als jene verweichlichten Warmduscher erwiesen, für die Putin sie hielt. Und die Europäer finden zunehmend Alternativen zu seinem Gas und Öl.
Trotzdem: Noch ist dieser Krieg nicht zu Ende. Putin ist angeschlagen, aber immer noch im Kreml. Es wäre naiv anzunehmen, dass die empörten russischen Familien, deren Söhne und Väter eingezogen werden, Putin stürzen könnten. Das ist angesichts der Repressionen kaum möglich.
Was angesichts der Niederlagen in der Ukraine lauter wird, ist der Unmut in einigen Gruppen des Sicherheitsapparats. Da werden jetzt die Messer gezückt, Schuldige gesucht. Noch verbal. Doch dass Milizenführer offen die von Putin eingesetzte Armeeführung kritisieren, zeigt, dass es ihm schwerer fällt, sie unter Kontrolle zu halten.
Wir sollten uns darauf einstellen, die nächsten Jahre mit einem Russland konfrontiert zu sein, das sich nicht an vereinbarte Spielregeln hält und potenziell gefährlich bleibt. Dennoch wäre es grundfalsch, Russland abzuschreiben. Europa muss klar kommunizieren: Wir werden eines Tages die Sanktionen aufheben. Aber nur dann, wenn die Grundregeln des Völkerrechts und der Menschenrechtscharta eingehalten werden – und wenn Moskau Reparationen an die Ukraine zahlt für all die Zerstörung, die es dort angerichtet hat.