Haben Sie sich schon gefragt, wie viele an diesem Sonntag zur Wahlurne schreiten werden oder angesichts der Kandidatenliste und des zu erwartenden Start-Ziel-Sieges des bisherigen Amtsinhabers den sonntäglichen Herbsttag ohne Besuch der Wahllokale genießen werden? Zu befürchten? Dass die Gruppe der Wahlverweigerer groß sein wird.
Der Begriff Wahlverweigerer dürfte allerdings nicht wirklich zutreffen. Es geht wohl weniger um Verweigerung als um das Gefühl, bei dieser Wahl ohnehin nur den bisherigen Präsidenten bestätigen zu können. Und aufgrund der vorliegenden Umfragewerte jene Kandidaten nicht verhindern zu müssen, die in die Hofburg passen würden wie Elefanten in Porzellanläden. Wie jener, der mit Texten wie „Gras zum Bier“ besticht oder jener, der sich selbst liebevoll „Heini“ nennt und dem als bekennenden Kommunisten eigenartigerweise auf die Frage meines Kollegen Stefan Winkler kein kommunistisch regiertes Land dieser Welt einfällt, in dem er als Kommunist leben möchte. Ob die Kandidaten als Bundespräsident die Regierung entlassen würden und was sie von der Neutralität halten, verraten sie in unserer heutigen Ausgabe.
Bleibt mit Blick auf die Stabilität Österreichs zu hoffen, dass viele wählen und es wirklich ein Start-Ziel-Sieg wird. Und dass der heute desaströs wirkende außenpolitische Ausrutscher von Alexander Van der Bellen aus dem Jahr 2015 als das gesehen wird, was er war: eine falsche Einschätzung, die er mit vielen europäischen Spitzenpolitikern teilte. Er war nicht der Einzige, der verständnisvoll meinte, dass „die Annexion der Krim im März 2014 auch eine Vorgeschichte hatte, nämlich verantwortungsloses Gerede von einem Nato-Beitritt der Ukraine, womit Russland vom Schwarzen Meer praktisch abgeschnitten gewesen wäre“. Wie er auch damals fragte, ob denn irgendjemand geglaubt hätte, dass „Putin dem tatenlos zusehen wird“. Aber auch das heute geflügelte Schimpfwort „Putin-Versteher“, mit denen alle Kritiker der Sanktionen oder Waffenlieferungen rechnen müssen, ist damals gefallen. „Wer Kritik an der ukrainischen Regierung übt“, schrieb Van der Bellen, „wird sofort als Putin-Versteher abgestempelt“. Und er fragte, ob „auch die Unabhängigkeit der Meinungsbildner ins Wanken gerät und ob aus der Pressefreiheit, die sich durch eine Vielfalt an Meinungen auszeichnen sollte, eine freiwillige Gleichschaltung der Medien geworden ist“.
Fragen des „Damals-Noch-Nicht-Präsidenten“, die mit umgekehrtem Vorzeichen auch heute wieder gestellt werden. Warten wir ab, was in fünf Jahren über die „freiwillige Gleichschaltung“ von 2022 oder den jüngsten Vorschlag von Elon Musk für eine diplomatische Lösung des Ukraine-Krieges mit dem Verzicht der Ukraine auf die Krim geschrieben wird!