Argumentative Foulspiele gibt es bekanntlich nicht nur in der Politik, aber sie sind doch vor allem ein fixer Bestandteil des politischen Tagesgeschäftes. Wie der Hinweis mancher europäischer Politiker – nicht nur von FP-Obmann Kickl im ORF-Sommergespräch - , man hätte doch stärker die Sicherheitsinteressen Russlands beachten müssen. Mit der unausgesprochenen Schlussfolgerung, dass es keinen Krieg in Europa geben würde, hätten alle diese Sicherheitsinteressen entsprechend gewürdigt und danach gehandelt. Solche Erklärungsversuche für den Angriffskrieg Russlands, der nun seit sechs Monaten vor der Haustüre der EU wütet, provozieren zwangsläufig die Gegenfrage, von wem sich denn Russland bedroht fühlen musste. Von Polen, Estland, Lettland, Litauen, Finnland oder gar der Nato? Eine Gegenfrage, die ZIB 2 Moderator Armin Wolf mit Sicherheit Herbert Kickl gestellt hätte, wäre er ihm im ORF-Sommergespräch gegenüber gesessen.
Verbale Verrenkungen erwarten uns aber auch noch in der Frage, ob denn die Sanktionen sinnvoll sind oder ein Schuss ins eigene Knie. Oder in der Frage mancher ÖVP-Landeshauptleute, ob die Sanktionen noch treffsicher wären und dass sie evaluiert werden müssten. No-na!
Gegen die Ermutigung Putinsund Entmutigung der Ukraine rückte nun gestern zum Halbjahrestag seit Kriegsbeginn die amerikanische Botschafterin Patricia Kennedy aus. Botschaft: Evaluierung der Sanktionen läuft und lässt keinen Zweifel am Erfolg. Die russische Wirtschaft soll im zweiten Quartal um vier Prozent geschrumpft sein, während jene der EU um den gleichen Prozentsatz gestiegen sei. Und Russland soll zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrhundert mit der Rückzahlung der Fremdwährungsschulden in Verzug geraten sein. Ebenso verzeichne Russland vor allem im Hochtechnologiebereich bereits Engpässe. Ob die Debatte über den Erfolg oder Misserfolg der Sanktionen damit beendet sein wird? Sie wird es nicht.
In jedem EU-Land werden sich mit jedem weiteren Tag der Teuerungen die eigenen Anliegen zurückmelden. Es mag keiner aussprechen, es ist aber jedem Politiker in Regierungsverantwortung bewusst: völlig solidarisch-uneigennützig kann auf Dauer kein Land agieren. Zumindest keines, das soziale Verwerfungen und einen Wahlerfolg von Rechts- oder Linksextremisten vermeiden möchte.
Einen Tag ohne Verwerfungen wünscht Ihnen