Die Monate seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine waren auch Monate des Erwachens aus dem tiefen Schlummer einer illusionären Weltdeutung. Zu dieser gehörte der Glaube an die friedliche Koexistenz von Staaten, zu dieser gehörte die Hoffnung, dass Europa neben der ökonomischen Integration nur das Label „Friedensprojekt“ benötige, um eine transnationale Zukunft zu haben, zu dieser gehörte die Überzeugung, dass die wirtschaftlichen Verflechtungen in einer globalisierten Welt große Kriege zwischen Staaten unwahrscheinlich machten, zu dieser gehörte die Annahme, dass militärische Aufrüstung und Abschreckung keine Lösung, sondern das Problem darstellten, zu dieser gehörte die Vorstellung, dass die Autorität des Staates durch gesellschaftliche Dynamik ersetzt wurde und klassische Grenzen obsolet geworden seien. Nach einem halben Jahr Krieg weiß man es besser. Aber das sagt sich so einfach.