Der verkehrt aufgestellte Holzrechen, ein Fabrikat des 90-jährigen Seniors, stützt die Äste des Apfelbaums und seiner reifenden Last nur noch mit Mühe. Heute keine Krähen mit kreischendem Morgengruß, auch keine Sonne, die beim Schreiben den Gegenhang emporklettert, hinter dem der See liegt, an dem abends zuvor der Kanzler zu Tisch saß, ganz leise soll es beim Betreten der vollen Terrasse geworden sein, erst dann, nach einigen Augenblicken des Nuschelns oder Taxierens wieder ordentlich anschwellender Sommerabendlärm, der auch den prominenten Gast umhüllte.
Sonst spärlicher Seetratsch, aus dem nur die Nachricht herausragt, dass die Motorboote heuer zum ersten Mal seit Menschengedenken nicht ausgelastet seien, vier Euro der Liter Treibstoff, die Teuerung schlage auch hier abschreckend hohe Wellen. Dafür sind die Wörthersee-Restaurants abends ausgebucht, in den meisten müssen sich die Gäste für eines der zweistündigen Zeitfenster entscheiden. Dann wartet die nächste Tranche. In zwei, drei Wochen, wenn Wien heimwärts zieht, kann man seine Uhr wieder zuhause lassen. Kärnten und seine Acht-Wochen-Business-Pläne. Weit ist man bei den Dehnungsübungen nicht gekommen. Bald werden, wie früher, die Klagenfurter Studenten den mittleren Steg mit ihren Skripten besetzen.
Für das Staatsoberhaupt den Urlaub und das Rasenmähen unterbrochen, sockenfreie Begrüßung im Newsroom, geht das okay? Alexander Van der Bellen zu Besuch in der Redaktion, er erhält einen Crashkurs in digitaler Transformation und ist erstaunt über die sofortige Rückspiegelung der Zugriffs- und Konvertierungszahlen von soeben veröffentlichten Artikeln. Dass man auf den Dashboards ablesen kann, wie viele User, die früher Leser hießen, gerade einen Bericht konsumieren, wie viele Minuten und Sekunden sie im Artikel bleiben und wie der Desk auf die Information reagiert, all das verblüfft den Gast. Der Bundespräsident, der keine Unterstützungsformulare mit hat, darf nicht rauchen, trägt Krawatte und wird wenig später in der Ramsau den deutschen Bundespräsidenten beim Kirchenwirt treffen, wir mögen bis dahin still halten, der Sicherheit wegen.
Das Thema, die flirrende Stimmung, bekümmert ihn. Früher habe er mit dem Hund im Wiener Volksgarten spazieren gehen und den überraschten Passanten antworten können, das sei Österreich. Das könne er heute nicht mehr. Dass er von Einschlägigen, die ihm organisiert hinterherreisen, an öffentlichen Plätzen niederskandiert wird, aus nächster Nähe, „ein paar Schritte entfernt“, bedrückt ihn sichtlich. Am meisten, dass er von den Frustrierten als Symbolfigur für das Oben, für das Establishment, wahrgenommen wird. Er, der direkt vom Volk Gewählte, er, der immer „Angehöriger einer Minderheit“ gewesen sei: als Flüchtlingskind mit fremdländischem Namen, als Seitentaltiroler, als ökologisch inspirierter Wirtschaftsprofessor, als Protestant.
Gerne würde er eine Debatte darüber führen, wem der öffentliche Raum in einer Stadt eigentlich gehöre, wer ihn beherrschen dürfe. Es ist das inoffizielle Gespräch vor dem offiziellen. Wir dürfen nicht zitieren, nur so viel: Van der Bellen hat nichts dagegen, dass Walter Rosenkranz, der Gegenspieler, die Räume eng macht mit blauen Codes wie: Nein zur EU, Nein zu den Sanktionen gegen Putin und einem wahrscheinlichen Ja zu einer Entlassung der Regierung. Die Radau-Positionierung kommt dem Amtsinhaber gelegen. Sie stützt seine Kampagne, die so gehen wird: der Ruhepol gegen die Putschisten. Van der Bellen spricht das Wort im Interview beim Mittagessen bewusst aus. Er streicht es bei der Autorisierung des Gesprächs nicht heraus. Es wird der Titel im Aufmacher, das Dashboard über dem Desk weist die Geschichte im Nu auf Platz eins aus. Zu diesem Zeitpunkt sitzt das Staatsoberhaupt mit seinem befreundeten deutschen Pendant bereits beim Kirchenwirt. Der deutsche Bundespräsident in Jeans, ich bin beruhigt.
Weniger beruhigend ist die nächtliche Nachricht, wonach das FBI in der Trump-Villa suchte. Wechseln Sie auf die mobile Website. Die Story aus Florida hat die Hofburg verdrängt.
Einen schönen Sommertag wünscht