Ausgerechnet eine Meldung in eigener Sache sagt viel über den Unterschied zwischen Österreichs wichtigsten Nachrichtensendungen aus. In der ZiB 1 hieß es am Donnerstag noch: "Die ORF-Radios bleiben unangefochtener Marktführer." Die ZiB 2 hingegen verkündete dann schaumgebremster: "Die ORF-Radios verlieren Marktanteile, bleiben aber unangefochtener Marktführer." Beides ist richtig, aber eher Eigenwerbung als dem Sachverständnis dienlich. Der ORF-Hörfunk hat laut Radiotest 69 Prozent Marktanteil bei den über Zehnjährigen und 56 Prozent in der besonders umkämpften Altersgruppe von 14 bis 49 Jahren. Allein Ö 3 (36 Prozent) hat in diesem Segment ein mehr als doppelt so großes Stück wie der nächste Widersacher Kronehit (16 Prozent).

Doch dieses Gesamt- ist auch ein Zerrbild. Denn es gibt nur einen national agierenden Privatsender – abgesehen vom kaum wahrgenommenen Fellner-Radio Austria. Ein Blick in die Länder zeigt hingegen, wie stark Ö 3 unter Druck geraten ist. In Vorarlberg liegt es hinter der Antenne von Russmedia, in Kärnten rückt ihm jene der Styria Media Group immer näher (31:27 Prozent bei 14-49). In Summe haben die Privatradios in dieser Kernzielgruppe erstmals zugleich mehr Reichweite und Marktanteile als Ö 3.

24 Jahre nach dem bundesweiten Ende des Hörfunkmonopols wirkt das vorerst wie überfällige Normalität. Doch sie kommt für den ORF zur Unzeit. Das 1996 vom Funkhaus nach Heiligenstadt umgezogene Ö 3 schließt mit seiner Übersiedelung Ende September die Mediencampus-Bildung auf dem Küniglberg ab. Es wurde einst als "cash cow" (©Generalintendant Gerhard Weis) ausgelagert. Nun zeigt es ausgerechnet bei seiner Reintegration Reformbedarf.

Ähnlich wie beim TV-Sorgenkind ORF 1 wurde seine große Umstellung vor einem Vierteljahrhundert nur kosmetisch weiterentwickelt – z. B. durch die Wiederakzeptanz von deutschsprachiger Musik und Austropop. Wozu auch mehr tun? Ganz anders als beim ersten Fernsehprogramm gaben Reichweite, Marktanteil und Werbeeinnahmen der Strategie des "Weiter so!" über Jahrzehnte recht. Doch das Gleichziehen erster regionaler Mitbewerber signalisiert den Bedarf einer umfassenderen Neuorientierung im Wettbewerb. Der bisherige Weg – ein öffentlich-rechtliches Angebot, verwechselbar mit Privatradio – nähert sich dem Ende. Um den Kurswechsel nicht zu scheuen, lohnt sich ein Vergleich mit dem Neuerfinder des Senders: Bogdan Roščić ist heute Staatsoperndirektor. So weit muss der ORF mit Ö 3 nicht gehen.