Wir haben uns das lange überlegt. Gestern trudelte in der Redaktion ein Bild vom Treffen des Kanzlers mit Gabriel Felbermayr ein. Der Wifo-Chef hatte in den letzten Wochen ein Entlastungsmodell ins Spiel gebracht, das nahezu allen Haushalten bei der Bewältigung der Stromkosten zugute kommen soll. Der Großteil der zum Teil astronomischen Kosten soll vom Staat übernommen werden, den Rest soll jeder zu Marktpreisen bezahlen. Unter dem Strich würde jeder Haushalt trotz der beachtlichen Rabatt-Aktion immer noch mehr als bisher zahlen – es sei denn, im Haushalt wird kräftig eingespart. Ein kluges Anreizsystem. Dem Vernehmen nach will die Bundesregierung beim Sommerministerrat am Mittwoch  im niederösterreichische Mauerbach dieses Modell in groben Zügen auf den Weg bringen. Wie so oft steckt allerdings der Teufel im Detail. Bis zur Beschlussfassung werden noch Wochen vergehen, Länder, Energieversorger, die Opposition will man an Bord holen. Womöglich wird das Modell noch bis zur Unkenntlichkeit verwässert.

Warum wir gezaudert haben? Uns hat nicht das Bild, das die Vorbereitungen zum Ministerrat nicht besser illustrieren könnte, stutzig gemacht, es ist die Bildsprache: Das Foto zeigt den Kanzler in seinem getäfelten Arbeitszimmer, links Arbeitsminister Martin Kocher, rechts der Wifo-Chef, im Hintergrund ist schemenhaft – im nicht angeschnittenen Bild – Leopold Figl erkennbar. Was daran so verwerflich ist? Nichts, nur zeigt das Motiv, dass das Kanzleramt allen Medien zur Verfügung gestellt  hat, Nehammer in Aktion. Er führt das Wort, während Kocher und Felbermayr andächtig den Ausführungen des Gastgebers lauschen. 

Das ist kein Zufall, und im Übrigen war das schon immer so, egal ob der Kanzler Karl Nehammer, Sebastian Kurz, Christian Kern oder Werner Faymann hieß. Die Versuchung der Medien- sowie anderer Berater ist groß, dass man nicht nur die inhaltlichen Botschaften, sondern auch die Bilder von Politikerauftritten steuert. Wahrscheinlich hat bei dem Termin Felbermayr, dessen Modell derzeit hoch im Kurs ist, das Wort geführt, die Bildsprache suggeriert, dass der Kanzler das Heft in der Hand hat. Beim Termin im Kanzleramt war nur ein offizieller Fotograf zugegen, wir haben das Foto zur Illustration der Vorgeschichte zum Ministerrat dennoch in die Zeitung gehievt – mit einem entsprechenden Fotohinweis.

Ein anderes Beispiel: Bekanntlich werden die Spitzenpolitiker in großen Limousinen durch die Lande kutschiert. Es ist kein Zufall, dass kaum Fotos von Kanzlern oder Ministern existieren, wie sie gerade ihren Fahrzeugen entsteigen. Nicht nur einmal habe ich beobachtet, wie der Dienstwagen 100 oder mehr Meter vor dem Ziel stehen geblieben ist, damit die letzten Meter zu Fuß, volksnahe zurückgelegt werden. Sebastian Kurz hatte diese Form der Message Control der Bilder zur Perfektion gebracht. 

Es ist wohl der subtilen Macht der Bilder geschuldet, dass Nehammer weder der heutigen Eröffnung der Salzburger Festspiele beiwohnt, noch mit der Familie seinen Urlaub in Griechenland verbringt. Jeder gönnt dem Kanzler ein paar unbeschwerte Tage mit der Familie im Sommer am Meer, ein Selfie einer Österreicherin, eines Österreichers mit dem Kanzler am Strand ginge hingegen viral und würde sehr wahrscheinlich falsch ausgelegt werden: Während wir uns den Kopf zerbrechen, wie wir den nächsten Winter bestreiten, chillt der Kanzler am Mittelmeer. So viel zur subtilen Übermacht der Bilder. 

Wie im Übrigen die in den letzten Jahren auch von mir liebend gern erfolgte Abfrage der Politikerurlaube sich nachträglich oft als Farce erwiesen hat. Viele verbringen tatsächlich einen Teil der Ferien in Österreich, oft ist dies nur die halbe Wahrheit. Nicht nur einmal kamen wir drauf, dass es im Sommer, bisweilen erst im September oder im Oktober auch nach Amerika, Fernost, Südafrika oder Australien gegangen ist. Die Destinationen fanden sich auf keiner offiziellen Liste. So viel zur Angst der Spitzenpolitiker vor falschen Bildern. 

Einen furchtlosen Tag wünscht